IACM-Informationen vom 27. November 1999
- Wissenschaft: Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten im deutschen Sprachraum
- Wissenschaft: Pilotstudie mit Cannabis für die medizinische Verwendung
- Kurzmeldungen
- Blick in die Vergangenheit
Wissenschaft: Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten im deutschen Sprachraum
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (Köln) führte in Zusammenarbeit mit dem EURopäischen Institut für onkologische und immunologische Forschung (Berlin) eine anonyme, standardisierte Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten in Deutschland, der Schweiz und Österreich durch. Daran nahmen zwischen April 1998 und April 1999 170 Personen teil. 128 Fragebögen gingen in die Auswertung ein.
68 Prozent der Teilnehmer waren männlich und 32 weiblich, bei einem Altersmittel von 37,5 (+/- 9,6) Jahren. Die häufigsten angegebenen Indikationen waren Depressionen (12,0 Prozent), Multiple Sklerose (10,8 Prozent), HIV-Infektion (9,0), Migräne (6,6), Asthma (6,0), Rückenschmerzen (5,4), Hepatitis C (4,8), Schlafstörungen (4,8), Epilepsie (3,6), Spastik (3,6), Kopfschmerzen (3,6), Alkoholismus (3,0), Glaukom (3,0), Übelkeit (3,0), Bandscheibenvorfall (2,4) und Querschnittslähmung (2,4). Mehrfachnennungen waren möglich.
Mehrheitlich waren natürliche Cannabisprodukte wie Marihuana, Haschisch und eine Tinktur verwendet worden, nur in 5 Fällen das Dronabinol-Präparat Marinol. Etwa die Hälfte der Befragten (52,4 Prozent) hatte bereits vor Beginn der Erkrankung Erfahrungen mit Cannabis gemacht. Zum Zeitpunkt der Befragung wurde in 14,3 Prozent Cannabis oral eingenommen, in 49,2 Prozent inhalativ und in 36,5 Prozent wurden beide Applikationsformen genutzt.
72,2 Prozent gaben an, die Krankheitssymptomatik sei unter Cannabis viel gebessert, in 23,4 Prozent sei sie wenig besser, in 4,8 Prozent unverändert und in 1,6 Prozent schlechter geworden. 60,8 Prozent zeigten sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, 24,0 Prozent zufrieden, 11,2 Prozent teilweise zufrieden und 4,0 Prozent nicht zufrieden. In 70,8 Prozent seien keine Nebenwirkungen aufgetreten, in 26,4 Prozent seien diese mäßig und in 3,3 Prozent stark gewesen. 84,1 Prozent brauchten in den vergangenen drei Monaten ihre Dosis nicht zu steigern, 11,1 Prozent mussten sie mäßig und 4,8 Prozent stark steigern.
Die Umfrage zeigt eine erfolgreiche Verwendung von Cannabisprodukten bei einer Vielzahl von Symptomen und Diagnosen bei im Allgemeinen akzeptablen Nebenwirkungen. Aufgrund der vermuteten hohen Selektivität des Kollektivs läßt die vorliegende Umfrage allerdings keine quantitativen Aussagen über den arzneilichen Nutzen und die unerwünschten Effekte der Pflanze bei einzelnen Indikationen in unselektierten Kollektiven zu.
(Quelle: Schnelle M, Grotenhermen F, Reif M, Gorter RW: Ergebnisse einer standardisierten Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten im deutschen Sprachraum. In: Grotenhermen F, Saller R (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. Forschende Komplementärmedizin 6, Supplement 3, 1999).
Wissenschaft: Pilotstudie mit Cannabis für die medizinische Verwendung
Eine britische Pharmafirma erklärte am 16. November, sie hoffe in drei bis vier Jahren ein Medikament auf Cannabisbasis für die Verschreibung durch Ärzte entwickelt zu haben. GW Pharmaceuticals sagte, es mache Fortschritte mit klinischen Studien mit solchen Präparaten.
Freiwillige hatten Cannabis unter klinischen Bedingungen genommen, um die beste Dosis und die Verträglichkeit zu testen. Diese Phase I Studie umfasste sechs gesunde Probanden und soll den Weg für größere Studien an Patienten ebnen. Sie hatten das Cannabis entweder mit einem Inhalator oder über eine Flüssigkeit unter der Zunge genommen.
Dr. Geoffrey Guy, der Leiter der Firma, erklärte: "Alle Teilnehmer haben die Studie gut überstanden und wir waren sehr zufrieden. Jetzt haben wir eine genauere Vorstellung, was unser Ausgangspunkt sein sollte." Herzfrequenz, Temperatur und Atmung wurden überwacht und Blutproben entnommen. Zusätzlich durchlief jeder Freiwillige eine Anzahl kognitiver und psychometrischer Tests. Dr. Guy sagte: "Wir waren in der Lage die psychoaktiven Effekte zu definieren und zu verfolgen. Keiner dieser Effekte ist störend oder würde in einer klinischen Studie als ernst klassifiziert." Die Patienten brauchten nicht "high" zu werden, um einen therapeutischen Nutzen zu bekommen.
Falls sie behördlich genehmigt werden, so sollen die Phase-II-Studien im nächsten Jahr beginnen. Sie werden bis zu zwei- oder dreihundert Patienten mit Multipler Sklerose, Querschnittslähmung und Phantomschmerzen umfassen. Am Ende der Phase-III-Studien sollen insgesamt 2.000 Patienten teilgenommen haben. Die wichtigsten Studien sollen im Jahre 2002 abgeschlossen sein.
"In Abhängigkeit von den notwendigen Genehmigungen hoffen wir, ein Medikament auf Cannabisbasis zur Verschreibung durch Ärzte innerhalb von drei bis vier Jahren zu haben," erklärte Guy. GW Pharmaceuticals besitzt eine Lizenz des Innenministeriums zum Anbau, Besitz und zur Abgabe von Cannabis für medizinische Zwecke. Dr. Guy pflanzte am 24. August dieses Jahres persönlich die 20.000ste Cannabispflanze von GW Pharmaceuticals. Die Pflanzen werden in einem hochsicheren Gewächshaus an einem geheimen Ort gezogen.
(Quellen: Reuters vom 16. November 1999, PA News vom 16. November 1999)
Kurzmeldungen
Spanien:
Unter dem Titel "El cáñamo ante el nuevo milenio" (Hanf vor dem neuen Jahrtausend) fand vom 29. bis 30. Oktober das zweite "La Bella Flor"-Treffen an der juristischen Fakultät der Universität von Malaga, organisiert durch ARSECA (Asociación Ramón Santos de Estudios del Cannabis de Andalucía) statt. Am Freitag Nachmittag wurden mögliche medizinische Anwendungsmöglichkeiten der Hanfpflanze diskutiert. Es gab Vorträge von Dr. Ricardo Navarrete Varo und Dr. Manuel Guzmán, Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Complutense Universität von Madrid.
(Quelle: Persönliche Mitteilung von Ricardo Navarrete Varo von der ARSECA)
USA:
Zwei Verfechter der medizinischen Verwendung von Marihuana erklärten sich am 19. November schuldig, mehr als 6.000 Pflanzen angebaut und die Droge verkauft zu haben. Sie erklärten, ihre einzige Hoffnung sei die richterliche Gnade, nachdem ihnen verwehrt worden war, medizinische Aspekte zu ihrer Verteidigung vorzubringen. Peter McWilliams und Todd McCormick beabsichtigten den Geschworenen von dem staatlichen Gesetz aus dem Jahre 1996 zu berichten, das die Verwendung von Marihuana für medizinische Zwecke erlaubt, von dem medizinischen Nutzen der Pflanze und ihrer eigenen Gesundheit. Herr McWilliams hat Aids und Herr McCormick hat verbundene Wirbelknochen nach einer Krebsbehandlung als Kind.
(Quelle: New York Times vom 24. November 1999)
Europa:
Etwa 40 Millionen Menschen in EURopa haben mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis probiert, aber Heroin ist weiterhin die wichtigste Problemdroge. Dies sagt ein am 22. November in Berlin veröffentlichter Bericht über den Drogenmissbrauch in der EURopäischen Union. Zwischen drei und vier Millionen Menschen in der EU hätten Heroin probiert, teilte das in Lissabon ansässige EURopäische Beobachtungszentrum für Drogen und Drogenabhängigkeit (EMCDDA) in ihrem jährlichen Bericht mit. Es gebe zwischen einer und 1,5 Millionen Problem-Drogenkonsumenten in der EU bei einer Gesamtbevölkerung von 375 Millionen. In Ländern mit einem hohen Niveau regelmäßiger Cannabiskonsumenten wie Deutschland, Großbritannien oder den Niederlanden habe sich die Zahl der Konsumenten stabilisiert oder sei sogar abgefallen.
(Quelle: Reuters vom 22. November 1999)
Blick in die Vergangenheit
Vor einem Jahr
- Deutschland: Neues THC-Präparat von THC Pharm
- USA: Die Höherrangigkeit von Bundesrecht über Landesrecht in Frage gestellt
Vor zwei Jahren
- Deutschland: "Cannabinoide zur Schmerztherapie" - Ein Workshop auf dem Deutschen Schmerztag in Frankfurt -
- Holland: Marinol auch in Holland erhältlich
- Wissenschaft: Stimmen zur Cannabis-Studie der WHO
- Großbritannien: Strafe auf Bewährung für Schmerzpatienten
- UNO: Europa muß Kontrolle von Drogen verstärken
- USA: Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses gegen medizinische Verwendung von Cannabis
Veranstaltungen 2020
Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.
IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
Members only
Regular members can sign up for the new member area of the IACM to access exclusive content.
You need to become a regular member of the IACM to access the new member area.
IACM on Twitter
Follow us on twitter @IACM_Bulletin where you can send us inquiries and receive updates on research studies and news articles.