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IACM-Informationen vom 13. November 1999

Wissenschaft: THC beim Tourette-Syndrom

An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde eine randomisierte Plazebo-kontrollierte Doppelblind-Studie mit Delta-9-THC bei 12 Erwachsenen durchgeführt, die am Gilles de la Tourette-Syndrom (Tourette-Syndrom) leiden. Dieses Syndrom ist eine komplexe neuropsychiatrische Störung unklarer Ursache, die durch plötzliche Spasmen, vor allem im Gesicht, Nacken und den Schultern sowie durch einen oder mehrere vokale Tics gekennzeichnet ist.

Die Teilnehmer erhielten einmalig 5, 7,5 oder 10 mg THC. Sowohl mit Hilfe einer Selbstbeurteilungsskala als auch unter Verwendung verschiedener Fremdbeurteilungsskalen fand sich nach Behandlung mit THC im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verminderung der motorischen und vokalen Tics. Zudem zeigte sich eine signifikante Abnahme von Zwangssymptomen.

Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. 5 Patienten gaben kurzzeitige Nebenwirkungen an wie Kopfschmerz, Übelkeit, Schwindel, Angst, Heiterkeit, Zittern, Mundtrockenheit und Hitzegefühl. Diese Wirkungen hielten maximal 6 Stunden an. Es fanden sich nach THC-Behandlung im Vergleich zur Plazebogabe keine Veränderungen hinsichtlich selektiver und geteilter Aufmerksamkeit, Langzeit-, Kurzzeit- und visuellem Gedächtnis, Lernleistung, allgemeinem Leistungsniveau, kognitiver Verarbeitungsgeschwindigkeit, Reaktionszeit, Konzentration und Stimmung.

Diese Studie folgte einer erfolgreichen offenen, unkontrollierten Studie an einem 25-jährigen Mann mit 10 mg Delta-9-THC, nachdem er seinen Ärzten von der symptomlindernden Verwendung von Marihuana berichtet hatte. Detaillierte Ergebnisse der aktuellen Studie werden in zwei Beiträgen präsentiert, die zur Publikation eingereicht sind. Erste Ergebnisse sind in einem Artikel über Cannabis bei Bewegungsstörungen in einem Supplement der Zeitschrift Forschende Komplementärmedizin über Cannabis in der Medizin vorgestellt.

(Quelle: Mueller-Vahl KR, Kolbe H, Schneider U, Emrich H M: Cannabis in Movement Disorders. In: Grotenhermen F, Saller R (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. Forschende Komplementärmedizin 6, Supplement 3, 1999)

USA: Wähler von Maine führen medizinische Verwendung von Marihuana ein

Die Wähler von Maine haben sich am 2. November in einem Referendum mit einer deutlichen Mehrheit von 61 Prozent für die Legalisierung von Marihuana bei bestimmten Erkrankungen ausgesprochen.

Die Frage lautete: "Wollen Sie, dass Patienten mit spezifischen Erkrankungen kleine Mengen Marihuana zur Therapie anbauen und verwenden dürfen, solange diese Verwendung durch einen Arzt genehmigt ist?" Das Gesetz tritt 30 Tage nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Kraft.

Mit der Zustimmung zu diesem Referendum folgt Maine den Staaten Alaska, Arizona, Kalifornien, Oregon und Washington, die ebenfalls alle Marihuana als Medizin in Referenden legalisierten. Die Wähler von Nevada befürworteten diese Verwendung ebenfalls im November 1998, müssen jedoch erneut im Jahr 2000 zustimmen.

Um Marihuana legal verwenden zu dürfen, muss ein Patient gemäß ärztlicher Diagnose eines der folgenden Zustände aufweisen: Andauernde Übelkeit und Erbrechen oder Appetitlosigkeit bei Aids oder Krebs, Glaukom, Krämpfe oder Muskelspasmen von chronischen Erkrankungen wie Epilepsie oder Multiple Sklerose.

Der Patient muss sich in ärztlicher Behandlung befinden. Ärzte werden das Marihuana nicht verschreiben - die Patienten müssen die Droge kaufen oder anbauen. Das Gesetz begrenzt die Menge, die ein Patient legal besitzen darf, auf 10 Unzen (280 Gramm) geernteten Marihuanas und sechs Cannabispflanzen, von denen nicht mehr als drei erntereif und blühend sein dürfen.

(Quellen: Bangor Daily News vom 3. November 1999, Associated Press vom 4. November 1999, Seattle Times vom 9. November 1999)

Deutschland: Studie mit Cannabis bei Tumorkachexie

Seit 1996 wurde am EURopäischen Institut für onkologische und immunologische Forschung in Berlin eine klinische Studie zur Wirksamkeit von Cannabis bei Appetitlosigkeit und starker Abmagerung (Kachexie) bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen vorbereitet. Die lang erwartete Studie hat nun begonnen. Am 2. November wurden die ersten beiden Krebspatienten aufgenommen.

Es soll geklärt werden, ob es durch Einnahme eines standardisierten Cannabis-Extrakts zu einer Zunahme von Appetit, Körpergewicht und Wohlbefinden bei Krebspatienten kommt. Die Wirkung von Cannabis wird dabei doppelblind und randomisiert mit der Wirkung von Delta-9-THC (Dronabinol) und Plazebo verglichen.

Das Prüfpräparat ist ein auf seinen THC-Gehalt standardisierter Extrakt von Cannabis sativa. Eine Kapsel enthält 2,5 mg THC. Es wird aus einem hochwertigen Pflanzenauszug hergestellt, der aus der gesamten Pflanze von biologisch angebautem Cannabis extrahiert und zu Soft-Gelatine-Kapseln verarbeitet wurde. Über 12 Wochen werden Patienten mit Appetitlosigkeit und einem Gewichtsverlust von mindestens 5 Prozent mit 2 mal einer Kapsel des Cannabis-Gesamtextraktes, THC oder Plazebo behandelt.

Es sind zur Zeit sieben Zentren in Deutschland und der Schweiz aktiv (Charité Mitte in Berlin, Charité Virchowklinikum in Berlin, Robert-Rössle-Klinik Berlin, Universitätskliniken in Halle, Bonn und Bern, Klinikum Darmstadt). Mittelfristig sollen an insgesamt über 20 Zentren EURopas in einer 18monatigen Rekrutierungsphase 445 Patienten aufgenommen werden. Lassen sich diese Erwartungen realisieren, ist mit Studienergebnissen ab Sommer 2001 zu rechnen.

PD Dr. Robert Gorter, der bisherige Studienleiter, ist zum 1. November 1999 aus dem EURopäischen Institut für onkologische und immunologische Forschung ausgeschieden. Die Studienleitung der Cannabis-Studie wird nun gemeinsam durch Prof. Thomas Cerny (Kantonsspital St. Gallen), Dr. Florian Strasser (Inselspital Bern) und Dr. Martin Schnelle (Europäisches Institut für onkologische und immunologische Forschung, Berlin) übernommen.

(Quelle: Persönliche Mitteilung von Dr. Martin Schnelle)

Deutschland: Tagungsband der Kongresse von 1998 erschienen

Der Tagungsband der Kongresse zu Cannabis als Medizin in Köln und Frankfurt im Dezember 1998 ist Anfang November 1999 als Sonderheft der Fachzeitschrift Forschende Komplementärmedizin im Karger-Verlag erschienen: Grotenhermen, F., Saller, R. (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. Forschende Komplementärmedizin 6, Supplement 3, 1999.

Der Tagungsband ist zum Sonderpreis von 25 DM (Deutschland) bzw. 30 DM (Ausland) bei der ACM erhältlich. Das 48-seitige Heft enthält wissenschaftliche Originalbeiträge in deutscher oder englischer Sprache, sowie Zusammenfassungen in deutsch und englisch.
- Vorwort (deutsch), Grotenhermen, F. (Köln), Saller, R. (Zürich)
- Cannabis und Marihuana als Vielstoffgemische in der Phytotherapie (deutsch), Saller, R. (Zürich)
- Die Wirkungen von Cannabis und THC (deutsch), Grotenhermen, F. (Hürth)
- Cannabis und Cannabinoide: Pharmakologie und Rationale für die klinische Anwendung (englisch), Pertwee, R. G. (Aberdeen)
- Jüngste Fortschritte in der Cannabinoid-Forschung (englisch), Mechoulam, R. (Jerusalem)
- Kachexie und Cannabinoide (englisch), Gorter, R. W. (Berlin)
- Cannabis bei Bewegungsstörungen (englisch), Müller-Vahl, K. R., Kolbe, H., Schneider, U., Emrich, H. M. (Hannover)
- Ergebnisse einer standardisierten Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten im deutschen Sprachraum (deutsch), Schnelle, M. (Berlin), Grotenhermen, F. (Köln), Reif, M., Gorter, R. W. (Berlin),
- Einige praxisrelevante Aspekte der Pharmakokinetik von THC (deutsch), Grotenhermen, F. (Hürth)
- Die Zukunft der medizinischen Verwendung von Marihuana (englisch), Grinspoon, L. (Boston)

USA: Konferenz zu Cannabis als Medizin im April 2000

Am 7. und 8. April 2000 wird die erste nationale klinische Konferenz zu Cannabis-Therapeutika an der Universität von Iowa stattfinden. Bei der zweitägigen Veranstaltung werden nationale und internationale Experten zum Thema sprechen. Es wird Vorträge von Wissenschaftlern und Juristen, sowie Informationen von Ärzten und Patienten über ihre Erfahrungen mit der medizinischen Verwendung der Pflanze geben.

Themen am 7. April werden Geschichte, Krebs, Glaukom, Multiple Sklerose, chronische Schmerzen und Aids sein. Zu den Teilnehmern zählen Al Byrne, Melanie Dreher, Dr. Jerome Kassirer, Dr. Michael Aldrich, Kevin Zeese, Dr. Rick Musty, Robert Randall, Elvy Musikka, Dr. Kathleen Boyle und andere.

Themen am 8. April werden der Stand der Cannabinoid-Forschung, mögliche gesundheitliche Risiken, aktuelle Forschung und Forschungsfragen, sowie die Erfahrungen von Patienten und Familien sein. Zu den Teilnehmern zählen Dr. David Pate, Dr. Dan Dansak, Dr. Geoffrey Guy, Dr. Denis Petro, Mary Lynn Mathre, Dr. Ethan Russo, Mae Nutt, Pat Skidmore und andere.

Um sicher zu stellen, dass die Informationen so weit wie möglich verbreitet werden, wird die Universität von Iowa die Möglichkeit schaffen, die Konferenz via Satellit zu verfolgen. Andere Orte in den USA oder EURopa können via Telekonferenz teilnehmen. Die Veranstalter würden gern mit Personen in Kontakt kommen, die in dieser Weise teilnehmen möchten, sei es ein Krankenhaus, eine Universität, eine Regierungsbehörde oder eine private Initiative. Die Kosten für empfangende Stellen werden bei 50 US-Dollar pro Stunde liegen, insgesamt bei 700 Dollar für die beiden Tage.

Kontakt für weitere Informationen: Al Byrne, Patients out of Time, (Al@MedicalCannabis.com) oder Carrie Kiser Wacker, Conference Coordinator, The University of Iowa (carrie-kiser-wacker@uiowa.edu).

(Quelle: Persönliche Mitteilungen durch Al Byrne, Patients out of Time)

Kanada/USA: Renee Boje beantragt Flüchtlingsstatus in Kanada

Ein Bundesrichter hat entschieden, dass zwei Marihuana-Aktivisten sich bei ihrem bevorstehenden Prozess nicht mit dem Argument der Zwangslage verteidigen können. Dieses Argument wird oft zugelassen, wenn Schwerkranke wegen Marihuanabesitzes angeklagt sind. Sie dürfen zudem nicht auf ihren Gesundheitszustand eingehen, auch nicht auf die medizinische Verwendung von Marihuana noch auf das kalifornische Gesetz, das die medizinische Verwendung von Marihuana erlaubt. Dies erklärte Distriktrichter George King am 5. November.

Todd McCormick, der an Knochenkrebs leidet, sowie Peter McWilliams, der an Aids und Krebs in Remission leidet, werden angeklagt, Marihuana besessen zu haben, mit der Absicht, es zu verteilen, der Verteilung von Marihuana sowie der Konspiration zum Anbau von Marihuana. Sie waren 1997 verhaftet worden, nach dem Bundesbeamte mehr als 6.000 Pflanzen in einem Haus in Bel-Air und an drei anderen Stellen in Los Angeles County entdeckt hatten.

McWilliams, ein bekannter Autor, ist angeklagt, das Unternehmen finanziert zu haben, während McCormick und andere angeklagt sind, das Marihuana angebaut und versucht zu haben, es in Cannabis Buyers Clubs von Los Angeles zu verkaufen. Diese Klubs gaben Marihuana an Patienten ab, nachdem ein kalifornisches Gesetz im Jahre 1996 die medizinische Verwendung legalisiert hatte. Der Prozess soll am 16. November beginnen.

Neben McWilliams und McCormick wurden im Juli 1998 weitere Kollegen angeklagt: David Williams aus Lancaster, Kirill Dyjine aus Hollywood, Andrew Scott Hass aus Malibu, Christopher Carrington aus Manhattan Beach, Greg Collier aus Van Nuys sowie Aleksandra Evanguelidi und Renee Boje aus Los Angeles.

Renee Boje ging nach Kanada und hat den Status eines Flüchtlings beantragt, mit dem Hinweis, sie sei ein Pfand im Krieg gegen die Drogen der amerikanischen Regierung. Das US-Justizministerium verlangt die Ausweisung von Boje nach Los Angeles, wo sie eine Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren erwartete, wenn sie verurteilt würde.

(Quellen: AP vom 7. November 1999, UPI vom 24. Juli 1998, Vancouver Sun vom 1. November 1999)

Kurzmeldungen

USA:
Ein Komitee der Kommission für medizinische Qualitätssicherung von Washington hat am 5. November dafür gestimmt, den Morbus Crohn, eine Darmerkrankung, in die Liste der Erkrankungen aufzunehmen, die für die Verwendung von Marihuana nach dem staatlichen Gesetz qualifizieren. Bisher waren dies Krebs, HIV, Multiple Sklerose, Epilepsie und andere Anfallsformen, Spastik, Glaukom sowie andere terminale oder schwere medizinischen Zustände, die durch "unerträgliche Schmerzen", die nicht durch eine medizinische Standardbehandlung beherrschbar sind, charakterisiert sind. Der Vorsitzende der Kommission, Bonnie King, erklärte, die Mitglieder der Kommission hätten das Fehlen wissenschaftlicher Befunde festgestellt und hätten ihre Entscheidung auf anekdotische Berichte gestützt. King erklärte, die nächste zu beurteilende Petition drehe sich um Hepatitis C.
(Quelle: Seattle Times vom 9. November 1999)

Großbritannien:
Der Vorsitzende der schottischen konservativen Partei unterstützte am 2. November die Verwendung von Cannabis als Medizin. David McLetchie erklärte, er denke, Ärzte sollten Kranken die Droge verschreiben dürfen. Der Führer der schottischen Tories, der seine erste Frau versorgte, als sie an Krebs starb, erklärte, er denke, die Droge könne wie Morphium zur Schmerzlinderung bei terminalen Krankheiten verwendet werden.
(Quelle: PA News vom 2. November 1999)

Australien:
Am 9. November bekräftigte der Premierminister von Viktoria, Steve Bracks, seinen Wunsch, in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit den Besitz kleiner Mengen Marihuana zu entkriminalisieren. Bracks stritt sich in der letzten Woche mit John Howard über seinen Plan, als der Premierminister ihn mit dem Vorwurf attackierte, er sende das falsche Signal aus und konterkariere den zunehmenden Widerwillen in der Gesellschaft gegen das Tabakrauchen. Bracks erklärte, er wäre gern ein Drogen-Prohibitionist, sei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass das Thema als medizinisches behandelt werden sollte.
(Quelle: Australian Associated Press vom 9. November 1999)

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