IACM-Informationen vom 27. Oktober 2007
- Wissenschaft: Cannabisextrakt wirksam in zweijähriger Studie ohne die Entwicklung einer Toleranz
- Wissenschaft: Schmerzlindernde Wirkungen von gerauchtem Cannabis waren bei experimentellem Schmerz von gesunden Probanden dosisabhängig
- Kurzmeldungen
- Blick in die Vergangenheit
Wissenschaft: Cannabisextrakt wirksam in zweijähriger Studie ohne die Entwicklung einer Toleranz
Nach einer britischen Studie mit Multiple-Sklerose-Patienten, die an neuropathischen Schmerzen litten, behielt ein Cannabisspray über den gesamten Zeitraum von zwei Jahren seine Wirksamkeit bei der Schmerzreduzierung. Nach einer fünfwöchigen kontrollierten Studie, die von 64 Patienten, die entweder den Cannabisextrakt Sativex oder ein Plazebo erhalten hatten, beendet wurde, nahmen 63 Patienten an einer offenen Langzeitstudie teil. Die mittlere Dauer der offenen Behandlung betrug 463 Tage. 34 Patienten nahmen mehr als ein Jahr lang teil, und 28 beendeten die Studie vollständig (Spanne: 701 bis 917 Tage). 17 Patienten brachen die Studie wegen Nebenwirkungen der Studienmedikation ab.
Der mittlere Schmerzwert aller Patienten vor Eintritt in die kurzzeitige kontrollierte Studie betrug 6,5. Die mittleren Schmerzwerte in der letzten Woche der Akutstudie waren 3,8 in der Gruppe, die Cannabis erhielt, und 5,0 in der Plazebogruppe. Bei den 28 Patienten, die die zweijährige Folgestudie abschlossen, betrug der mittlere Schmerzwert in der letzten Woche der Behandlung 2,9. 92 Prozent der Patienten erlebten mindestens eine Nebenwirkung, die im Allgemeinen gering bis mäßig stark waren. Es gab zwei ernsthafte Nebenwirkungen, eine Herzrhythmusstörung und ein Kollaps, die bei dem selben Patienten auftraten und eine Krankenhausbehandlung erforderlich machten. Die Forscher folgerten, dass der Cannabisextrakt ohne Entwicklung einer Toleranz hinsichtlich der schmerzlindernden Wirkungen des Medikamentes über einen ausgedehnten Zeitraum wirksam war, ohne die Notwendigkeit einer Dosissteigerung.
Die vollständige Studie ist online verfügbar unter:
www.clinicaltherapeutics.com/articles/2068_rog.pdf
(Quelle: Rog DJ, Nurmikko TJ, Young CA. Oromucosal delta-9-tetrahydrocannabinol/cannabidiol for neuropathic pain associated with multiple sclerosis: an uncontrolled, open-label, 2-year extension trial. Clin Ther 2007;29(9):2068-79.)
Wissenschaft: Schmerzlindernde Wirkungen von gerauchtem Cannabis waren bei experimentellem Schmerz von gesunden Probanden dosisabhängig
Nach einer Studie an der Universität von Kalifornien in San Diego mit 15 gesunden Freiwilligen war die Wirkung von gerauchtem Cannabis auf experimentelle Schmerzen am stärksten bei mittleren Dosen, während eine niedrige Dosis keine relevante Wirkung zeigte und eine hohe Dosis zu einer Schmerzzunahme führte. Die Schmerzen wurden durch eine Injektion von Capsaicin 5 und 45 Minuten nach der Drogenexposition in die gegenüberliegenden Unterarme verursacht. Capsaicin ist ein Bestandteil von scharfen Chilischoten und irritiert die Haut. Zu vier verschiedenen Gelegenheiten rauchten die Teilnehmer entweder eine Plazebo-Cannabiszigarette (0 Prozent THC) oder eine Cannabiszigarette mit 2, 4 oder 8 Prozent THC.
Fünf Minuten nach der Cannabisexposition gab es bei keiner Dosis eine Wirkung auf den Capsaicin-induzierten Schmerz. 45 Minuten nach der Cannabisexposition wurde allerdings eine signifikante Abnahme des Capsaicin-induzierten Schmerzes nach der mittleren Dosis sowie eine signifikante Zunahme des Schmerzes nach der höchsten Dosis beobachtet. Es gab keine Wirkung nach der niedrigen Dosis. Die Forscher folgerten, dass ihre Studie nahe legt, dass es "ein Fenster einer moderaten Analgesie für gerauchten Cannabis gibt, mit niedrigeren Dosen, die zu einer Schmerzabnahme, und höheren Dosen, die zu einer Zunahme der Schmerzen führen".
Mehrere frühere Studien hatten gezeigt, dass Cannabis häufig experimentelle Schmerzen bei gesunden Probanden nicht reduzierte oder sogar verstärkte, während schmerzreduzierende Wirkungen bei Patienten, die an neuropathischen Schmerzen litten, konstanter festgestellt wurden, mit der stärksten Schmerzreduzierung nach den jeweils höchsten Dosen. Tierexperimentelle Studien haben zudem gezeigt, dass das Endocannabinoidsystem auf chronische Schmerzen reagiert, was der Grund für diese Unterschiede zwischen den Wirkungen bei gesunden Personen und Schmerzpatienten sein könnte. Allerdings hatte in einer Studie aus der Schweiz aus dem Jahre 2006 zur Wirksamkeit von THC gegen die Spastik bei Querschnittslähmung ein Teil der Patienten die Studie wegen einer Zunahme der Schmerzen unter THC abgebrochen.
Die Artikel ist online verfügbar auf der Internetseite der Zeitschrift Anesthesiology:
www.anesthesiology.org
(Quelle: Wallace M, Schulteis G, Atkinson JH, Wolfson T, Lazzaretto D, Bentley H, Gouaux B, Abramson I. Dose-dependent effects of smoked cannabis on capsaicin-induced pain and hyperalgesia in healthy volunteers. Anesthesiology 2007;107(5):785-796.)
Kurzmeldungen
Großbritannien: Symposium
Ein gemeinsames Symposium der Akademie für pharmazeutische Wissenschaften und der königlichen pharmazeutischen Gesellschaft von Großbritannien unter dem Titel "Cannabinoidmedikamente" wird am 10. März 2008 in London durchgeführt. Mehr Informationen unter: www.rpsgb.org/worldofpharmacy/events. (Quelle: persönliche Mitteilung)
Belgien: Kongress zur Cannabiskultur
Das Institut für soziale Drogenforschung (ISD) der Universität Gent wird vom 3. bis 4. Dezember einen Kongress organisieren. Zwischen 2005 und 2007 führte das ISD eine umfangreiche Studie durch und interviewte etwa 750 Cannabisanbauer zu ihren Motiven. Belgische und holländische Experten werden die verschiedenen Aspekte der Produktion und der ökonomischen Konsequenzen diskutieren. Zu den Rednern zählen Prof. Tom Decorte, Prof. Adriaan Jansen, Joep Oomen, Prof. Frank Bovenkerk, Prof. Peter Cohen, sowie die Bürgermeister Gerd Leers (Maastricht, NL), Marcel Hendrickx (Turnhout, B) und Jan Lonink (Terneuzen, NL). Mehr unter: www.law.ugent.be/crim/ISD. (Quelle: Pressemitteilung des ISD vom 18. September 2007)
Wissenschaft: Depressionen
In einem Tiermodell für Depressionen zeigte ein synthetisches Cannabinoid (WIN55,212-2) antidepressive Wirkungen. Diese Wirkungen waren CB1-Rezeptor-abhängig und wurden durch den Serotonin Rezeptor (5-HT-Rezeptor) vermittelt. (Quelle: Bambico FR, et al. J Neurosci 2007;27(43):11700-11711.)
Wissenschaft: Pneumothorax
Ärzte an der Klinik für allgemeine Thoraxchirurgie des Universitätskrankenhauses Bern (Schweiz) beobachteten in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Zunahme der Zahl an jungen Patienten, die sich mit Lungenemphysem und Spontanpneumothorax vorstellten. Die meisten von ihnen waren starke kombinierte Konsumenten von Cannabis und Tabak. (Quelle: Beshay M, et al. EUR J Cardiothorac Surg, 9. Oktober 2007 [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])
Wissenschaft: Schutz des Herzens
In experimentellen Studien wurde beobachtet, dass Cannabinoide das Herz während einer verringerten Versorgung mit Blut und Sauerstoff schützen. CB1-Rezeptoren befinden sich vor allem auf den Endothelzellen des Herzens und üben ihre schützende Wirkung durch die Produktion von Stickstoffmonoxid aus. Im Gegensatz dazu befinden sich CB2-Rezeptoren auf den Herzzellen und üben ihre schützende Wirkung unabhängig von diesem endothelialen Faktor aus. (Quelle: Lepicier P, et al. Life Sci, 24. September 2007 [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])
Blick in die Vergangenheit
Vor einem Jahr
- Italien/Schweiz: Regierungen planen legale Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken
- Wissenschaft: THC reduziert Spastik bei Patienten mit Querschnittslähmung
- Holland: Multiple-Sklerose-Patient darf Cannabis zum Eigenbedarf anbauen
- Wissenschaft/Spanien: Eine Pilotstudie mit Sativex ergab positive Wirkungen bei 65 Prozent der Patienten mit chronischen Erkrankungen
- Wissenschaft: Nach einer klinischen Studie durch die Mayo-Klinik reduziert THC Magenkrämpfe nach dem Essen
Vor zwei Jahren
Veranstaltungen 2020
Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.
IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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