IACM-Informationen vom 12. Dezember 1998
- Deutschland: Frankfurter Resolution für die medizinische Verwendung von Marihuana
- Wissenschaft: THC löst programmierten Zelltod in bestimmten Gehirntumorzellen aus
- Kurzmeldungen
- Blick in die Vergangenheit
Deutschland: Frankfurter Resolution für die medizinische Verwendung von Marihuana
Beim Kongress "Medical Marijuana" der Hessischen Gesellschaft für Demokratie und Ökologie und der Metropolen AIDS-Hilfen Frankfurt, Düsseldorf, Köln und München vom 2. bis 4 Dezember 1998 wurde die "Frankfurter Resolution" zur Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke vorgestellt.
Sie lautet:
"In der Erkenntnis, daß zur Heilung Kranker und zur Minderung ihres Leids alle menschenwürdigen medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen sind, fordern wir den Bundestag auf:
1. Die medizinische Nutzung von Marihuana zu erlauben,
2. zu therapeutischen Zwecken auch die rauchbare Anwendung natürlichen Marihuanas zu gestatten,
3. die medizinische Verwendung von Marihuana begleitend wissenschaftlich zu erforschen und diese Forschung zu fördern."
Zu den Erstunterzeichnern der Resolution zählen bekannte Schauspieler und andere Künstler, Journalisten und andere Vertreter der Medien, Hochschulprofessoren und Wissenschaftler, Politiker von SPD und Grünen.
Darunter sind: Dirk Bach, Schauspieler, Köln; Daniel Cohn-Bendit, Mitglied des EURopäischen Parlaments, Die Grünen, Frankfurt am Main; Herbert Feuerstein, Kabarettist, Brühl; William Forsythe, Ballett, Frankfurt am Main; Susanne Fröhlich, Moderatorin Hess. Rundfunk, Frankfurt am Main; Prof. Dr. Robert Gorter, Berlin; Hubertus Heil, Mitglied des deutschen Bundestages, SPD, Bonn; Dr. Ellis Huber, Präsident der Ärztekammer, Berlin; Margarethe Nimsch, Staatsministerin a.D., Die Grünen, Frankfurt am Main; Günter Pfitzmann, Schauspieler, Berlin; Rupert von Plottnitz, Hessischer Minister der Justiz u. f. EURopaangelegenheiten, Die Grünen, Wiesbaden; Daniel Riegger, Journalist, Frankfurt am Main; Gudrun Schaich-Walch, Mitglied des deutschen Bundestages, SPD, Frankfurt am Main; Prof. Dr. Sebastian Scheerer, Hamburg;; Prof. Dr. Volkmar Sigusch, Frankfurt am Main; Hella von Sinnen, Köln; Prof. Dr. Rolf Verres, Heidelberg; Dr. Roger Willemsen, Hamburg.
Die Resolution wird von der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin unterstützt. Weitere medizinische Gesellschaften haben ihre Unterstützung signalisiert. Zur Unterstützung der Resolution werden Unterschriften gesammelt, die im März 1999 der deutschen Bundesregierung übergeben werden sollen.
Der Text mit den Erstunterzeichnern kann zur Sammlung von Unterschriften als Datei im rtf- oder Winword-Format bei der ACM angefordert werden: ACMed@t-online.de. Mitglieder der ACM erhalten eine ausgedruckte Liste mit den nächsten ACM-News im Januar.
Wissenschaft: THC löst programmierten Zelltod in bestimmten Gehirntumorzellen aus
Nach zellexperimentellen Studien an der Complutense Universität von Madrid/Spanien induziert Delta-9-Tetrahydrocannbinol (THC) Apoptosen in Gliom-Zellen und in einem geringeren Umfang in anderen Arten von Hirntumorzellen, aber nicht in gesunden Gehirnzellen. Dieser Effekt wird vermutlich nicht durch Cannabinoid-Rezeptoren vermittelt und bezieht den Sphingomyelin-Zyklus ein.
Apoptose bezeichnet einen programmierten Zelltod, der sich vom nekrotischen Zelltod mit seinen sichtbaren Veränderungen des Zelluntergangs unterscheidet. Apoptosen werden beispielsweise vom Körper bei starker Schädigung des genetischen Materials oder bei Sauerstoffmangel verwendet, um ein gestörtes Zellwachstum und die Entwicklung von Krebs zu verhindern.
Änderungen der Kontrolle der Apoptose sind an der Ursache verschiedener menschlicher Erkrankungen beteiligt. Ein Beispiel für eine krankhaft verminderte apoptotische Aktivität ist die mutationsbedingte Inaktivierung des Tumorsuppressorgens p53. Sie führt zu einer verminderten Apoptosen-Rate geschädigter Zellen und damit zu einer Zunahme des Krebsrisikos. Auf der anderen Seite kann eine Zunahme der Apoptosen, die gesunde Zellen betrifft, ebenfalls schwere Erkrankungen verursachen. Ein Beispiel ist eine Hautkrankheit, die Toxische Epidermale Nekrolyse (oder Lyell Syndrom) mit einer Sterblichkeit von etwa 30 Prozent. Sie ist mit einer hohen Rate an Apoptosen verbunden, die auf der verstärkten Aktivierung eines an der Zelloberfläche von Hautzellen befindlichen Todes-Rezeptors basiert.
Eine Substanz, die einen programmierten Zelltod von Tumorzellen aber nicht von gesunden Zellen auslöst, ist wünschenswert für die Krebsbehandlung. Die spanischen Wissenschaftlern konnten in Kooperation mit ihren Kollegen vom französischen INSERM-Institut zeigen, dass THC eine solche Substanz sein könnte.
Sie verwendeten Gliom-Zellen (vom C6.9 Subklon) und fügten eine hohe THC-Konzentration (1 Mikromol) hinzu. THC führte innerhalb von 4 bis 5 Tagen zu einem dramatischen Abfall des mitochondrialen oxidativen Stoffwechsels in diesen Gehirntumorzellen, begleitet von ihrem Zelltod. Der Effekt war dosisabhängig und induzierte eine leiterförmige Zersplitterung der DNA, ein Vorgang der typisch für einen Zelltod durch Apoptose ist. Es konnte gezeigt werden, dass THC zu einer Hydrolyse des Sphingomyelins (ein bestimmtes Lipid) führt, ein Schlüsselvorgang bei der Kontrolle vieler physiologischer Ereignisse im Zusammenhang mit der Zellregulation.
Die apoptotische Aktivität des THC war nicht auf Gliom-Zellen beschränkt. Eine untersuchte Astrozytom-Zelllinie und Neuroblastom-Zellen, also Zellen von anderen Hirntumorarten, zeigten die gleichen Reaktionen, wenn sie auch nicht so sensibel wie Gliom-Zellen reagierten. Im Gegensatz dazu reagierten gesunde Hirnzellen, Astrozyten und Neurone, nicht auf die apoptotische Aktivität des THC, selbst nach 15tägiger Exposition. Die THC-Konzentration betrug bei allen Versuchen einheitlich 1 Mikromol.
Untersuchungen mit dem Cannabinoid-Rezeptorantagonisten SR141716 zeigten, dass dieser THC-Effekt nicht durch Cannabinoidrezeptoren vermittelt war, obwohl die getesteten Zellen den CB1-Rezeptor aufwiesen. Die Existenz eines SR141716-unempfindlichen Cannabinoidrezeptors, der sich von CB1 und CB2 unterscheidet, konnte nicht ausgeschlossen werden.
Die Autoren folgern, dass der "antiproliferative Effekt von THC, der in diesem Bericht beschrieben wurde, die Basis für eine neue therapeutische Anwendung von Cannabinoiden liefern könnte, besonders da primäre Astrozyten und Neurone resistent gegenüber der apoptotischen Aktivität von THC sind." Man muss allerdings einschränkend sagen, dass die THC-Konzentrationen, die im Blut von Cannabiskonsumenten gefunden werden, sich im Nanomolarbereich bewegen, also deutlich niedriger sind als die in diesen Zellstudien verwendeten.
(Quellen: Sanchez, C., Galve-Roperh, I., Canova, C., Brachet, P., Guzman, M.: Delta-9-Tetrahydrocannabinol induces apoptosis in C6 glioma cella. FEBS Letters 436:6-10, 1998; Viard, I., Wehrli, P., Bullani, R., Schneider, P., Holler, N., Salomon, D., Hunziker, T., Saurat, J.-H., Tschop, J., French, L. E.: Inhibition of toxic epidermal necrolysis by blockade of CD95 with human intravenous immunoglobulin. Science 282:490-493, 1998)
Kurzmeldungen
Schweiz:
Am 29. November lehnten die Schweizer Wähler in einer Volksabstimmung eine Initiative zur Legalisierung von bisher illegalen Drogen ab. Der Plan hätte die Schweiz zu dem einzigen Land der Welt machen, wo jeder Erwachsene über 18 Jahre nach Konsultation eines Arztes Betäubungsmittel von Marihuana bis Heroin, in staatlichen Läden oder Apotheken hätte kaufen können. Die Initiative wurde von 26,1 Prozent der Wähler befürwortet.
(Quellen: PA vom 29. November 1998, Reuters vom 29. November 1998)
Deutschland:
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, hat eine Debatte über den Einsatz von Cannabis als Medikament gefordert. Eine Diskussion hierüber müsse "ohne ideologische Scheuklappen in Gang kommen", sagte die Grünen-Politikerin. Mit Cannabis könnten möglicherweise starke Schmerzen bei Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Krebs oder Aids gelindert werden. Eine aktuelle Initiative des britischen Oberhauses, Cannabisprodukte für die Therapie zuzulassen, begrüsste sie. Darüber müsse auch in Deutschland nachgedacht werden.
(Quelle: dpa vom 29. November 1998)
Großbritannien:
Der Vorsitzende des Komitees des britischen Oberhauses, dass im vergangenen Monat die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke gefordert hatte, attackierte am 4. Dezember bei einer Diskussion im Oberhaus die britische Regierung wegen der sofortigen Ablehnung des Vorschlages. Minister George Howarth hatte erklärt: "Die Sicherheit der Patienten ist unsere erste Priorität und die Regierung würde die Verschreibung keines Medikamentes erlauben, dass durch klinische Studien nicht hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität getestet wurde." Lord Perry sagte dazu: "Auch wenn wir akzeptieren, dass die Sicherheit der Patienten die erste Priorität besitzt, so sagt unser Bericht, dass wenn Cannabis unter ärztlicher Aufsicht verwendet wird, um Patienten zu behandeln, das Risiko für den Patienten verschwindend gering ist."
(Quelle: PA News vom 4. Dezember 1998)
USA:
Der US-Kongress hat im letzten Monat 23 Millionen Dollar zur Entwicklung eines Pilzes, der drogenproduzierende Pflanzen wie Marihuana zerstören soll, bewilligt. Regierungsvertreter erklärten, sie hofften, diese Pilze dann ausländischen Staaten wie Kolumbien, Peru und Bolivien zur Verfügung stellen zu können.
(Quelle: NORML vom 10. Dezember 1998)
Blick in die Vergangenheit
Vor einem Jahr
- Deutschland: Dronabinol und Nabilon in Deutschland ohne Beschränkung der Indikation
- Deutschland: Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur arzneilichen Verwendung von Cannabis
- Wissenschaft: Marihuana beim Tourette-Syndrom
- Großbritannien: Britische Regierung gegen arzneiliche Verwendung von Cannabis
- USA: DEA leitet Überprüfung des rechtlichen Status von Marihuana ein
- USA: Zivilklagen gegen Cannabis Buyers Clubs in Kalifornien
Veranstaltungen 2020
Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.
IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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