IACM-Informationen vom 27. Juni 1998
- USA: Sehr geringes Missbrauchspotential von Marinol
- Großbritannien: Stadtfrauen-Gilde fordert Legalisierung von Cannabis für Schwerkranke
- Frankreich: Alkoholkonsum ist eine wesentlich größere Gesundheitsgefahr als Cannabisrauchen
- Kanada: Bericht fordert die Herausnahme von Marihuanabesitz aus dem Strafrecht
- Kurzmeldungen
USA: Sehr geringes Missbrauchspotential von Marinol
Der Hersteller des THC-Präparates Marinol, Unimed Pharmaceuticals, erklärte am 17. Juni, daß Forscher, die die Erfahrungen von Ärzten mit der therapeutischen Verwendung von Marinol ausgewertet hätten, keine Fälle von Mißbrauch unter Patienten gefunden hätten. Marinol enthält synthetisch hergestelltes THC (Dronabinol), den wichtigsten psychoaktiven Inhaltsstoff der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.).
Die Studienergebnisse wurden beim jährlichen wissenschaftlichen Treffen des Kollegiums für Probleme der Drogenabhängigkeit in Scottsdale, Arizona, präsentiert. Die Untersuchung, die landesweit über eine Zeit von neun Monaten durchgeführt worden war, umfaßte die Sammlung von Erfahrungen von Forschern, Ärzten, Spezialisten für Fragen der Abhängigkeit und Mitarbeitern der Exekutive.
Unimed erklärte, daß Marinol ein "sehr geringes Mißbrauchspotential" besitze. Zu den Forschungsergebnissen zählen:
- Es gibt keinen Hinweis auf einen Mißbrauch.
- Die Verwendung von Marinol bleibt innerhalb des Bereichs
therapeutischer Dosen.
- Cannabiskonsumenten zeigen kein Interesse am Mißbrauch von Marinol.
- Es gibt keinen Hinweis auf einen Verkauf als Straßendroge.
- Marinol verursacht keine Wirkungen, die bei einer mißbrauchten Droge gewünscht werden.
Unimed möchte die Indikationen für Marinol durch Studien bei agitiertem Verhalten von dementen Personen ausweiten. 1997 war eine Studie mit 15 Patienten, die an der Alzheimer-Krankheit litten und die Nahrung verweigerten, veröffentlicht worden. THC verbesserte nicht nur den Appetit, auch das verwirrte Verhalten der Patienten nahm ab.
(Quellen: Dow Jones vom 17. Juni 1998; PRNewswire vom 17. Juni 1998; Volicer, L., Stelly, M., Morris, J., McLaughlin, J., Volicer, B. J.: Effects of dronabinol on anorexia and disturbed behavior in patients with Alzheimer's disease. Int. J. Geriatr. Psychiatry (1997) 12:913-919.
Großbritannien: Stadtfrauen-Gilde fordert Legalisierung von Cannabis für Schwerkranke
Auf der Versammlung der Stadtfrauen-Gilde am 18. Juni stimmten etwa drei Viertel der zumeist älteren Delegierten für eine Resolution, nach der Cannabis für "spezifische medizinische Zwecke" legalisiert werden sollte.
Die Entscheidung wurde nach einem fünfminütigen Redebeitrag von Clare Hodges gefaßt, in der sie an den "gesunden Menschenverstand und das Mitleid" appelierte. Frau Hodges leidet an Multipler Sklerose und ist Direktorin der britischen Allianz für Cannabis-Therapeutika (ACT, Alliance for Cannabis Therapeutics). Sie schilderte die positiven Effekte von Cannabis auf ihre Erkrankung. Ihr Beitrag wurde mit tosendem Applaus bedacht.
Der Beschluß wurde mit 1.163 zu 407 gefaßt. Zuvor hatten die Delegierten erfahren, daß der Leibarzt von Königin Viktoria Ihrer Majestät Cannabis zur Linderung ihrer Menstruationbeschwerden verschrieben hatte, und daß der Jazzmusiker Louis Armstrong es sein ganzes Leben lang geraucht habe, ohne daß es ihm geschadet habe.
(Quelle: PA News vom 18. Juni 1998)
Frankreich: Alkoholkonsum ist eine wesentlich größere Gesundheitsgefahr als Cannabisrauchen
Nach einem Bericht des staatlichen medizinischen Forschungsinstituts INSERM und ausländischer Experten, der am 16. Juni veröffentlicht wurde, sind Alkohol, Heroin und Kokain die Drogen mit den größten Gesundheitsgefahren. Tabak, psychotrope Drogen, Beruhigungsmittel und Halluzinogene befinden sich in einer zweiten Gruppe. Cannabis befindet sich in einer dritten Liste von Substanzen, die eine relativ kleine Gefahr darstellten.
Nach dem Bericht weisen Alkohol und Heroin ein großes körperliches und psychisches Abhängigkeitspotential auf. Sie schadeten der Gesundheit und förderten ein gefährliches soziales Verhalten. Heroin sei die tödlichste Droge, gefolgt von Alkohol und Tabak, die mit Krebs, Hepatitis und kardiovaskulären Leiden assoziiert seien. Trunkenheit sei eine der wichtigsten Ursachen für Selbstmorde, Morde, Verkehrs- und Arbeitsplatzunfälle. Cannabis weise eine geringe Toxizität auf, habe ein geringes Abhängigkeitspotential und stelle nur eine geringe Gefahr für das soziale Verhalten dar.
Die Regierung wies am 17. Juni Forderungen nach einer Entkriminalisierung von weichen Drogen zurück. "Der Premierminister unterstützt nicht die Entkriminalisierung irgendeiner Droge," erklärte Regierungssprecher Daniel Vaillant. Gesundheitsminister Bernhard Kouchner erklärte vor dem Parlament, der Bericht sei "toxikologisch korrekt, aber politisch falsch." In einer Stellungnahme der Grünen Partei heißt es: "Der Bericht zeigt erneut, daß die Basis [für Drogenpolitik] völlig falsch ist."
(Quelle: Reuters vom 17. Juni 1998)
Kanada: Bericht fordert die Herausnahme von Marihuanabesitz aus dem Strafrecht
Nach einem Diskussionspapier der nationalen Arbeitsgruppe zur Drogenpolitik des kanadischen Zentrums für Drogenmißbrauch (CCSA) vom Mai 1998 sollte der alleinige Besitz von Marihuana nicht mehr mit Mitteln des Strafrechts verfolgt werden. Das Papier mit dem Titel "Cannabis-Kontrolle in Kanada: Möglichkeiten hinsichtlich des Besitzes" schlägt die Möglichkeit der Verhängung eines Bußgeldes vor.
"Die Option einer zivilrechtlichen Maßnahme bietet die beste Möglichkeit zur Erreichung der möglichst abgewogenen Balance zwischen der Notwendigkeit, den mit dem Cannabiskonsum verbundenen Schaden zu reduzieren, und der Notwendigkeit, die Kosten und den Schaden, die mit dem Versuch der Regulierung des Konsums verbunden sind, einzuschränken," heißt es in dem Bericht. "Es würde den Cannabisbesitz aus dem Strafgesetz herausnehmen, Gefängnisstrafen wegen Zahlungsunfähigkeit von Geldbußen verhindern und die mit einer Vorstrafe verbundenen Konsequenzen vermeiden."
Die Autoren weisen darauf hin, daß die Gesetzgebung gegen Cannabisbesitz nur einen "sehr geringen Abschreckungseffekt" habe. Es bestehe kein klarer Zusammenhang zwischen Veränderungen der rechtlichen Maßnahmen und der Verwendung illegaler Drogen in den vergangenen Jahrzehnten. Die Kriminalisierung von Cannabis habe nur einen geringen Effekt auf die individuelle Entscheidung über den Konsum der Droge.
Die neue Politik stehe im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Kanadas, vom Cannabiskonsum abzuschrecken. Zudem weisen die Autoren auf eine veränderte Einstellung der Kanadier hin: "Die große Mehrheit der Kanadier unterstützt nicht länger Gefängnisstrafen für den einfachen Besitz von Cannabis."
(Quelle: NORML vom 18. Juni 1998; "Cannabis Control in Canada: Options Regarding Possession", A Canadian Centre on Substance Abuse policy discussion document prepared by the CCSA National Working Group on Addictions Policy, Internet: www.ccsa.ca/canfinal2.htm)
Kurzmeldungen
Kanada:
Der 43jährige Grant Krieger aus Saskatchewan wurde am 16. Juni wegen Besitzes und Handels mit Cannabis schuldig gesprochen. Das Strafmaß wird am 17. August verkündet. Krieger war vor einem Jahr verhaftet worden, nachdem er öffentlich erklärt hatte, 15 Gramm Marihuana an einen chronisch kranken Freund verkaufen zu wollen. Richter Robert Davie erklärte, der persönliche Besitz von Marihuana aus medizinischen Gründen könne mit der Verfassung in Einklang stehen, aber die Abgabe an andere nicht. Krieger kündigte an, den Fall vor das oberste Gericht zu bringen.
(Quellen: Canadian Press vom 16. Juni 1998, Calgary Sun vom 17. Juni 1998)
Großbritannien:
Die Entkriminalisierung von illegalen Drogen sei keine "funktionierende Option" erklärte die Regierung in einer Debatte am 15. Juni. Dies würde zu einer Zunahme drogenbezogener Probleme führen, erklärte der stellvertretende Innenminister Gerald Howarth. Die Liberaldemokratin Dr. Jenny Tonge bezeichnete dagegen die gegenwärtige Situation als "etwas lächerlich". Der Labour-Abgeordnete Paul Flynn verwies auf das Beispiel Schweiz, wo eine etwas nachsichtigere Drogenpolitik zu einer Verminderung drogenbezogener Verbrechen geführt habe. Die USA, die seit vielen Jahren eine Prohibitionspolitik betreibe, habe dagegen das größte Drogenproblem der Welt.
(Quelle: PA News vom 15. Juni 1998)
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