IACM-Informationen vom 05. November 2011
- Wissenschaft: Cannabis bringt eine zusätzliche Schmerzlinderung bei Patienten, die bereits mit Opiaten behandelt werden
- Wissenschaft: Ein Hemmer der Fettsäureamidhydrolase wurde in der ersten klinischen Studie gut vertragen
- Wissenschaft: Große klinische Studien zeigen den Nutzen des Cannabisextrakts Sativex bei Patienten mit multipler Sklerose
- Kurzmeldungen
- Blick in die Vergangenheit
Wissenschaft: Cannabis bringt eine zusätzliche Schmerzlinderung bei Patienten, die bereits mit Opiaten behandelt werden
Am allgemeinen Krankenhaus von San Francisco (USA) wurde eine klinische Studie durchgeführt, um die Wirkungen von inhaliertem Cannabis bei 21 Patienten mit chronischen Schmerzen, die bereits zweimal täglich Morphium oder Oxycodon einnehmen, zu untersuchen. Die Teilnehmer wurden für fünf Tage ins Krankenhaus aufgenommen. Sie wurden gebeten, verdampften Cannabis am Abend des ersten Tages, dreimal täglich an den Tagen 2 bis 4 und am Morgen des fünften Tages zu inhalieren. Sie inhalierten jeweils 0,9 Gramm Cannabis (3,56 Prozent THC) mit einem Volcano-Vaporizer der Firma Storz & Bickel. An den Tagen 1 bis 5 wurden in 12-stündigen Intervallen Blutproben entnommen. Die Intensität der chronischen Schmerzen wurde täglich beurteilt.
Pharmakokinetische Untersuchungen zeigten keine signifikanten Veränderungen der Blutkonzentrationen von Morphium oder Oxycodon nach der Cannabisgabe. Die Schmerzen wurden durch die Cannabisinhalation signifikant im Mittel um 27 Prozent reduziert. Auf einer Schmerzskala von 0 bis 100 betrug der Ausgangswert für die Schmerzintensität 39,6 und am 5. Tag 29,1. Die Forscher folgerten, "dass verdampfter Cannabis die analgetischen Wirkungen von Opioiden verstärkt, ohne die Plasma-Opioidspiegel signifikant zu verändern. Die Kombination könnte eine Opioidbehandlung mit kleineren Dosen und weniger Nebenwirkungen ermöglichen."
(Quelle: Abrams DI, Couey P, Shade SB, Kelly ME, Benowitz NL. Cannabinoid-Opioid Interaction in Chronic Pain. Clin Pharmacol Ther, 2. November 2011. [im Druck])
Wissenschaft: Ein Hemmer der Fettsäureamidhydrolase wurde in der ersten klinischen Studie gut vertragen
Forscher des pharmazeutischen Unternehmens Pfizer in den USA untersuchten die Pharmakokinetik und Verträglichkeit eines irreversiblen Hemmers von FAAH1 (Fettsäureamidhydrolase 1) mit dem Namen PF-04457845 bei gesunden Probanden. Dazu wurden doppelblinde, randomisierte, Plazebo kontrollierte Studien mit einer Dosis oder mehreren Dosen sowie eine offene, randomisierte Studie zur Untersuchung des Einflusses von Nahrung durchgeführt. Dosen bis zu 40 mg (Einzeldosis) und 14 Tage lang bis zu 8 mg wurden gut vertragen.
PF-04457845 wurde schnell absorbiert mit einer medianen maximalen Blutkonzentration nach 0,5 bis 1,2 Stunden. Ein Gleichgewicht wurde am 7. Tag erreicht. Weniger als 0,1 Prozent der Dosis wurde über den Urin ausgeschieden. Nahrung hatte keinen Effekt auf die Pharmakokinetik von PF-04457845. Die FAAH1-Aktivität wurde nach Dosen von mindestens 0,3 mg (Einzeldosis) und 0,5 mg (mehrfache Dosierung) nahezu vollständig gehemmt (mehr als 97 Prozent). Die mittlere Konzentration von Fettsäureamiden, darunter Endocannabinoide, erhöhte sich um den Faktor 3,5 bis 10 bis auf ein Plateau, auf dem sie nach der Gabe von PF-044578545 gehalten wurden. Die Aktivität von FAAH1 und die Konzentrationen von Fettsäureamiden gingen innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung der Substanzgabe bei Dosen bis zu 4 mg auf ihre Ausgangswerte zurück. Es gab keinen Hinweis von Wirkungen von PF-04457845 auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Die Autoren folgerten, dass "PF-04457845 in Dosen, die größer sind als notwendig für die maximale Hemmung der FAAH1-Aktivität und der Erhöhung von Fettsäureamiden gut vertragen wurde".
(Quelle: Li GL, Winter H, Arends R, Jay GW, Le V, Young T, Huggins JP. Assessment of the pharmacology and tolerability of PF-04457845, an irreversible inhibitor of fatty acid amide hydrolase-1, in healthy subjects. Br J Clin Pharmacol, 2. November 2011 [im Druck])
Wissenschaft: Große klinische Studien zeigen den Nutzen des Cannabisextrakts Sativex bei Patienten mit multipler Sklerose
Vollständige Ergebnisse von drei Phase-III-Studien mit Sativex bei insgesamt 1500 MS-Patienten wurden beim ECTRIMS-Kongress vom 19. bis 22. Oktober in Amsterdam vorgestellt. Diese Studien liefern Ergebnisse zur langzeitigen Wirksamkeit dieses Cannabisextrakts (2,7 mg THC und 2,5 mg CBD pro Sprühstoß) bei der Symptomverbesserung von Patienten mit mäßig starker bis starker Spastik aufgrund einer multiplen Sklerose, die nicht adäquat auf andere Medikamente gegen Spastik angesprochen haben. Diese Daten haben zur Zulassung von Sativex in Großbritannien, Spanien, Dänemark, Deutschland und der Tschechischen Republik geführt.
Professor Hans Peter Hartung, Direktor der Klinik für Neurologie der Universität Düsseldorf (Deutschland) und Vorsitzender eines Symposiums während des ECTRIMS-Kongresses erklärte: "Es wurde nachgewiesen, dass Sativex die Schwere von Symptomen bei Patienten mit Spastik bei multipler Sklerose reduziert und die Lebensqualität und den funktionellen Status der Patienten verbessert, was bedeutet, dass sie alltägliche Aufgaben leichter bewältigen können. Wichtig ist zudem, dass die klinische Erfahrung bisher gezeigt hat, dass das Verträglichkeitsprofil dieses Medikaments günstig ist mit begrenzten relevanten Nebenwirkungen, und - besonders ermutigend - das Medikament scheint nicht zu Entzugserscheinungen zu führen, wenn Patienten die Einnahme plötzlich beenden."
(Quelle: Pressemitteilung von GW Pharmaceuticals vom 24. Oktober 2011)
Kurzmeldungen
Kanada: Medizinischer Cannabis
Am 30. September besaßen nach Angaben des Gesundheitsministeriums (Health Canada) 12.116 Personen eine Erlaubnis zum Besitz von Cannabis für medizinische Zwecke. Gegenwärtig gibt es eine Diskussion über den Vorschlag von Health Canada, sich selbst als letzte Entscheidungsinstanz bei der Genehmigung oder Ablehnung von Anträgen durch Patienten zurückzuziehen und den Genehmigungsprozess vollständig durch Ärzte vornehmen zu lassen. Die kanadische Ärztegesellschaft erklärte, dass Ärzte damit in die Position geraten, den Zugang zu einer weitgehend ungetesteten und nicht regulierten Substanz, die nicht den normalen Zulassungsprozess für Medikamente durchlaufen hat, zu kontrollieren. (Quelle: UPI vom 31. Oktober 2011)
Wissenschaft: Körperliches Training
Nach Forschung an der Freien Universität Brüssel (Belgien) erhöht körperliches Training die Konzentration von BDNF (brain-derived neurotrophic factor) und des Endocannabinoids Anandamid (AEA). BDNF ist ein Protein, das dabei hilft, das Überleben von Nervenzellen zu unterstützen, und an verschiedenen Erkrankungen, wie Depressionen und Morbus Alzheimer, beteiligt sein soll. Die Forscher folgerten, dass "akutes Training einen physiologischen Stressor darstellt, der in der Lage ist, die peripheren Spiegel von AEA zu erhöhen, und dass BDNF einen Mechanismus darstellen könnte, durch den AEA die neuroplastischen und antidepressiven Wirkungen von körperlichem Training beeinflusst". (Quelle: Heyman E, et al. Psychoneuroendocrinology, 24. Oktober 2011 [im Druck])
Wissenschaft: Genetische Information von Cannabis
Forscher an der Universität von Toronto (Kanada) haben das komplette Genom (genetische Informationen) von zwei Cannabissorten entschlüsselt, von denen eine eine hohe THC-Konzentration produziert (Purple Kush) und die andere ein wenig THC produzierender Faserhanf ist (Finola). Das Genom besteht aus 30.000 Genen. Ein Vergleich zwischen dem Genom von Purple Kush und Finola ergab, dass viele Gene für Wege zur Produktion von Cannabinoiden und ihren Vorläufern stärker bei Purple Kush exprimiert werden. Die Forscher hoffen, dass die Verfügbarkeit des Genoms "die Entwicklung therapeutischer Marihuana-Sorten mit abgestimmten Cannabinoid-Profilen fördert sowie eine Basis für die Züchtung von Hanf mit verbesserten agronomischen Charakteristika legt". (Quelle: van Bakel H, et al. Genome Biol, 20. Oktober 2011;12(10):R102 [im Druck])
Kolumbien: Legalisierung
In einem Interview schlug der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos vor, dass die Legalisierung von Cannabis, wenn sie global geschieht, einen Schritt beim Kampf gegen den Drogenhandel und die Verwendung harter Drogen wie Kokain und Heroin darstellen könnte. (Quelle: Metro World News Bogota vom 23. Oktober 2011)
Wissenschaft: Krebs
Nach Forschung an der Katholischen Universität von Louvain (Belgien) wurden die Tumor hemmenden Eigenschaften von Endocannabinoiden in Experimenten mit Neuroblastom-Zellen, ein häufiger Krebs bei Kindern, durch die Zugabe eines FAAH-Hemmers (FAAH = Fettsäureamidhydrolase) verstärkt. FAAH katalysiert den Abbau einiger Endocannabinoide und eine Hemmung dieses Enzyms vergrößert die Endocannabinoid-Konzentration. (Quelle: Hamtiaux L, et al. PLoS One. 2011;6(10):e26823.)
Wissenschaft: Soziale Angststörung
Nach Forschung am Rhode Island-Krankenhaus in Providence (USA) weisen Personen mit sozialer Angststörung, die Cannabis verwenden, häufiger irgendwann in ihrem Leben die Diagnose einer posttraumatischen Stressstörung und wahrscheinlicher eine bessere körperliche Gesundheit auf. Die Wissenschaftler verglichen 700 Patienten mit sozialer Angststörung ohne Cannabiskonsum und 173 mit sozialer Angststörung und Cannabiskonsum. Sie folgerten, dass "eine einzigartige Beziehung" zwischen sozialer Angststörung und Cannabiskonsumstörungen bestehen könnte. (Quelle: Tepe E, et al. J Psychiatr Res, 31. Oktober 2011 [im Druck])
Wissenschaft: Psychose
Nach Forschung an der Universität von Manchester (Großbritannien) mit 160 Personen mit Psychose und Cannabiskonsum und 167 Patienten mit Psychose und einem anderen Substanzkonsum gab es keine signifikante Beziehung zwischen Cannabiskonsum und psychotischen Symptomen und einen kleinen Effekt auf die psychosoziale Gesundheit. Die Cannabis konsumierende Untergruppe wurde prospektiv untersucht mit wiederholten Messungen des Substanzkonsums und der Psychopathologie bei Beginn der Studie, sowie nach 12 und 24 Monaten. Sie beobachteten ebenfalls, dass die Beendigung oder Reduzierung des Cannabiskonsums nicht immer zu einer symptomatischen Verbesserung führte. (Quelle: Barrowclough C, et al. Schizophr Bull, 29. Oktober 2011 [im Druck])
Wissenschaft: Hyperaktivitätsstörung
Nach Angaben von Forschern aus Italien und den Vereinigten Staaten ist der CB1-Rezeptor an der Entwicklung der ADHS (Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung) beteiligt. Sie verwendeten ein Mausmodell der ADHS. Sie folgerten, dass "therapeutische Strategien, die darauf abzielen, das ECS [Endocannabinoidsystem] zu beeinflussen, bei dieser Störung wirksam sein könnten". (Quelle: Castelli M, et al. EUR J Neurosci 2011;34(9):1369-1377.)
Wissenschaft: Schmerzen
Nach tierexperimenteller Forschung an der Universität von Barcelona (Spanien) wurden die schmerzlindernden Wirkungen eines synthetischen CB2-Rezeptoragonisten, der örtlich an der schmerzenden Stelle appliziert wurde, durch einen Opioidrezeptorblocker aufgehoben. Aus ihren Untersuchungen schlossen die Wissenschaftler, dass "die peripheren antinozizeptiven Wirkungen von JWH-015 bei chronisch entzündlichen Schmerzen (...) durch endogene Opioide vermittelt werden". (Quelle: Negrete R, et al. PLoS One. 2011;6(10):e26688.)
Wissenschaft: Schlaganfall
Nach tierexperimenteller Forschung spanischer Wissenschaftler führte die Aktivierung des CB2-Rezeptors zu neuroprotekiven Wirkungen nach reduzierter Blutversorgung des Gehirns. In einem Mausmodell für Schlaganfall reduzierte die Gabe des CB2-Rezeptoragonisten JWH-133 die Aktivierung von Immunzellen und die Entzündung im Gehirn. (Quelle: Zarruk JG, et al. Stroke, 20. Oktober 2011 [im Druck])
Blick in die Vergangenheit
Vor einem Jahr
- Wissenschaft/Großbritannien: Drogenexperten schreiben in der Fachzeitschrift Lancet, dass Alkohol gefährlicher ist als Heroin, Cannabis und andere illegale Drogen
- Wissenschaft: Cannabisextrakt wirksam bei der Vorbeugung Chemotherapie-induzierter Übelkeit und des Erbrechens
- Israel: Bald Cannabis in Apotheken
Vor zwei Jahren
Veranstaltungen 2020
Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.
IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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