IACM-Informationen vom 02. Mai 1998
- Deutschland: Rechtsprofessor bezeichnet Verweigerung von medizinischer Cannabisverwendung als rechtswidrig
- Großbritannien: Direktorin der ACT sagt vor Ausschuß des Oberhauses aus
- USA: Cannabis Buyers Club von San Francisco öffnet unter neuem Namen
- Kurzmeldungen
Deutschland: Rechtsprofessor bezeichnet Verweigerung von medizinischer Cannabisverwendung als rechtswidrig
Prof. Dr. Jürgen Schwabe, Rechtsprofessor aus Hamburg, bezeichnete die Verweigerung einer Behandlung mit Cannabis bei schweren Erkrankungen in der Juristenzeitung vom Februar 1998 als rechtswidrig. In seinem Beitrag setzte er sich mit dem juristischen Problem des Schutzes des Menschen vor sich selbst auseinander: "Der moderne Staat schützt seine Bürger mit einer Fülle von Regeln vor sich selbst. Die Legitimation für diesen aufoktroyierten Selbstschutz ist oft fragwürdig..."
Eines der von ihm angeführten Beispiele ist das Cannabisverbot, bei dem zur Rechtfertigung im Urteil des Bundesverfassunsgerichts von 1994 vor allem Gemeinwohlinteressen angeführt werden. Jedoch müsse bei Vorliegen von Gemeinwohlinteressen "selbstverständlich" überprüft werden, ob im Einzelfall die Belange des Konsumenten - des Bürgers, den man vor sich selbst schützen will - höher wiegen als das Gemeinwohl.
Der Beitrag schließt mit den Sätzen: "Selbst wenn sich für eine staatliche Beschränkung Gemeinwohlinteressen aufweisen lassen, muß selbstverständlich im Einzelfall bei Irrelevanz dieser Interessen oder deutlichem Überwiegen der Belange dessen, der einem Verbot zu seinem Schutz unterliegt, eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Presseberichten zufolge wird sie, was ein Skandal genannt werden muß, Krebs- und Aidskranken verweigert, denen der Cannabiskonsum deutliche Linderung ihrer Leiden bringt. Weshalb gegen solche Rechtswidrigkeit nicht schnell und nachhaltig gerichtlicher Rechtsschutz mobilisiert wird, ist unerklärlich."
(Quelle: Schwabe, J.: Der Schutz des Menschen vor sich selbst. Juristenzeitung 2/1998, S. 66-75)
Großbritannien: Direktorin der ACT sagt vor Ausschuß des Oberhauses aus
Die Direktorin der britischen Allianz für Cannabis-Therapeutika (ACT, Alliance for Cannabis Therapeutics), Clare Hodges, schilderte am 28. April ihre Erfahrungen mit der Anwendung von Cannabis vor dem Ausschuß des britischen Oberhauses, der die wissenschaftliche Grundlage für die Kriminalisierung der medizinischen und rekreativen Verwendung von Cannabis überprüfen soll.
Clare Hodges leidet seit 15 Jahren an Multipler Sklerose. Mit konventionellen Medikamenten ließen sich vor allem ihre Probleme mit der Blasenfunktion nicht beherrschen, oder sie hatten zu starke Nebenwirkungen. Sie mußte zwölfmal nachts zur Toilette gehen. Über einen Freund gelangte sie vor sechs Jahren an Cannabis: "Es wirkte innerhalb von fünf Minuten. Die Spannung in meiner Blase und im Rücken schmolz dahin, und ich fühlte mich weniger krank und steif."
Die ACT ist eine lockere Allianz von Patienten, Ärzten und Politikern.
Auch Patrick Wall, Professor für Physiologie am St. Thomas Krankenhaus in London, berichtete von positiven Patientenerfahrungen. Er wies auf die großen bürokratischen Hindernisse hin, die die Erforschung des arzneilichen Potentials der Hanfpflanze behindern. Er bezeichnete es als "lächerlich", daß Ärzte, die Forschung mit Cannabis betreiben wollen, mehr Sondergenehmigungen benötigen als zur Forschung mit Heroin und Kokain.
(Quelle: PA vom 28. April 1998)
USA: Cannabis Buyers Club von San Francisco öffnet unter neuem Namen
Einen Tag nach der auf eine richterliche Anordnung erfolgten Schließung hat der größte kalifornische Cannabis-Klub für Marihuana unter einem neuen Namen und einer neuen Leiterin wiedereröffnet.
Der von Dennis Peron geleitete Cannabis Cultivators Club in San Francisco, der etwa 9.000 Patienten mit Marihuana versorgt, wurde am 21. April geschlossen und am 22. April als San Francisco Healing Center unter der Leitung eines langjährigen Mitgliedes, der 79jährigen Hazel Rodgers, die am Glaukom leidet, wiedereröffnet. Ein Antrag des Generalstaatsanwaltes Dan Lungren auf sofortige erneute Schließung des Klubs wurde vom zuständigen Richter abgelehnt. Richter William Cahill will Anfang Juni eine Anhörung durchführen, um die Frage der Rechtsmäßigkeit des neuen Klubs zu klären.
Nach einem Artikel des San Francisco Chronicle sei seit Annahme von Proposition 215, die die medizinische Verwendung von Marihuana in Kalifornien ermöglicht, vor 18 Monaten das Netzwerk von Marihuana-Klubs, Kooperativen und Verteilerstellen unter Druck geraten. Von 18 medizinischen Marihuana-Versorgern, die vor sieben Monaten existierten, seien sechs geschlossen und fünf wegen rechtlicher Probleme von Schließung bedroht. Auch bei den übrigen drohe jederzeit, daß "das nächste Türanklopfen von einem staatlichen Drogenfahnder" stamme.
Offene Klubs, die ohne rechtliche Probleme arbeiten:
- Humboldt Cannabis Center, Arcata, Humboldt County (150 aktive Mitglieder)
- Compassionate Use Co-Op, Rackerby (45 aktive Mitglieder)
- C.H.A.M.P., San Francisco (500 aktive Mitglieder)
- Medical Cannabis Delivery Service, San Francisco (400-500 aktive Mitglieder)
- Wo/Men's Alliance for Medical Marijuana, Santa Cruz (150 Mitglieder)
- MedEx Delivery Service, Santa Cruz (9 Mitglieder)
- Los Angeles Cannabis Buyers' Club, West Hollywood (460 Mitglieder)
Offene Klubs, die von rechtlichen Problemen bedroht sind:
- San Francisco Cannabis Cultivators Club, S.F. (9.000 Mitglieder)
- Oakland Cannabis Buyers' Cooperative, Oakland (1.000 Mitglieder)
- Marin Alliance for Medical Marijuana, Fairfax (300 Mitglieder)
- Ukiah Cannabis Buyers' Club, Ukiah (250 Mitglieder)
- Santa Clara County Medical Cannabis Center, San Jose (270 Mitglieder)
Kürzlich geschlossene Klubs
- Flower Therapy, San Francisco
- Santa Cruz Cannabis Buyers' Club, Santa Cruz
- Medical Marijuana Care Center, Monterey
- Orange County Patient/Doctor/Nurse Support Group, Santa Ana
- San Diego Cannabis Caregivers' Club, San Diego
- Ventura County Medical Cannabis Center, Thousand Oaks
(Quellen: Reuters vom 21., 22. und 30. April 1998, San Francisco Chronicle vom 23. April 1998)
Kurzmeldungen
Italien:
Die italienische Regierung will den Konsum von Marihuana wie beim Eigenbedarf auch für den Gruppenkonsum tolerieren. Der gemeinsame Konsum in der Gruppe soll nicht länger strafbar sein, wenn die Droge an den Konsumenten nicht verkauft, sondern verschenkt werde, berichtete der Mailänder Corriere della Sera vom 23. April 1998.
(Quelle: Taz vom 24. April 1998)
Großbritannien:
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Taylor Nelson Sofres sind 62% der Briten gegen eine Legalisierung von Marihuana für rekreative Zwecke. 32% unterstützen die Legalisierung für eine medizinische Verwendung von Cannabis.
(Quelle: PA vom 26. April)
USA:
Die Wähler von Alaska werden im Herbst über die Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke abstimmen. Nach dem zur Abstimmung gelangenden Modell würde einem Patienten mit einer schweren Erkrankung und einem behördlich ausgestellten Ausweis der Besitz von einer Unze (28 Gramm) Marihuana erlaubt sein. Er dürfte auch bis zu sechs Hanfpflanzen anbauen.
(Quelle: NORML vom 23. April 1998)
Sport:
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird das Verbot von weichen Drogen in die Olympische Charta aufnehmen. Damit wird unter anderem auch Marihuana von Olympischen Spielen verbannt. Die neuen Bestimmungen sollen bereits bei den nächsten Sommerspielen in Sydney im Jahr 2000 gelten.
(Quelle: dpa vom 27. April 1998)
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