IACM-Informationen vom 10. Januar 1998
- Deutschland: Rezeptierfähigkeit von Dronabinol (Delta-9-THC) in Deutschland ab 1. Februar 1998
- Deutschland: Verbot von Hanfsamen zum unerlaubten Anbau
- Wissenschaft: Lancet-Editorial zu Cannabis als Medizin
- Deutschland: ACM-Informationen goes international
Deutschland: Rezeptierfähigkeit von Dronabinol (Delta-9-THC) in Deutschland ab 1. Februar 1998
Auf der Sitzung des Deutschen Bundesrates vom 19. Dezember 1997 wurde im Rahmen der "Zehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (Zehnte Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung - 10. BtMÄndV)" Dronabinol in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes umgestuft. Cannabis selbst bleibt weiterhin in der Anlage I der nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel.
Dronabinol ist der Freiname für das pharmakologisch wirksamste Isomer des Delta-9-Tetrahydrocannabinol, welches auch in der Hanfpflanze vorkommt und für den charakteristischen Cannabisrausch verantwortlich ist. Seine vollständige chemische Bezeichnung ist: (6aR, 10aR)-6,6,9-Trimethyl-3pentyl-6a,7,8,10a-tetrahydro-6H-benzo(c)chromen-1-ol
Maximal dürfen nach der neuen Regelung vom Arzt innerhalb von 30 Tagen 500 mg Dronabinol verschrieben werden (Artikel 2, § 2). Dies bedeutet eine maximale Tagesdosis von 16 mg THC, die für einige Indikationen und Patienten ausreichen wird, für andere nicht. Zu rezeptieren ist vom Arzt "Dronabinol" und nicht "THC","Delta-9-THC" oder ähnliches.
In der Begründung heißt es: "Die Position Dronabinol wird neu in die Anlage III des BtMG aufgenommen. Damit kann diese synthetisch hergestellte stereoisomere Form des Cannabiswirkstoffes Delta-9-Tetrahydrocannabinol nunmehr durch Ärzte verschrieben werden. Das Verschreiben pflanzlicher Cannabisprodukte ist weiterhin nicht möglich... Obwohl in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechendes Arzneimittel noch nicht zum Verkehr zugelassen ist, kann nach der Umstufung von Dronabinol in Anlage III des BtMG auf der Grundlage einer ärztlichen Verschreibung gemäß § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes jedes in einem anderen Land mit diesem Wirkstoff zugelassene Arzneimittel in geringen Mengen für einzelne Patienten durch eine Apotheke importiert werden, so das in den USA zugelassene Arzneimittel Marinol."
Die ACM hatte darauf aufmerksam gemacht, daß Dronabinol in der Hanfpflanze vorkomme und eine Extraktion möglich sei. Daraufhin war aus dem Bundesgesundheitsministerium mündlich die Absicht erklärt worden, den Begriff "synthetisch" auch aus der Begründung zu streichen. Dies sei jedoch nach dem 6. November 1997 aus terminlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen.
Es erfolgte jedoch auf der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 3.12.1997 eine entsprechende Klarstellung, daß der Verordnungstext für die Rechtsdurchführung maßgeblich ist. Dort heißt es im Protokoll:
"Die Vertreterin Hessens ... bittet um Auskunft, ob die Ausführungen zuträfen, daß das Verschreiben pflanzlicher Cannabisprodukte weiterhin nicht möglich sei. Der Vertreter des BMG legt dar, dem Bundesministerium für Gesundheit sei inzwischen bekannt, daß Dronabinol auch in der Pflanze vorkomme und aus dieser gewonnen werden könne. Deshalb treffe die zitierte Begründung nicht zu. Dronabinol dürfe - unabhängig von seiner Herkunft, ob synthetisch hergestellt oder aus der Pflanze isoliert - verschrieben werden."
Die bedeutet, daß sowohl synthetisch hergestelltes als auch aus der Pflanze extrahiertes Dronabinol (Delta-9-THC) verschrieben werden darf. In der Praxis existiert jedoch bisher nur ein zugelassenes THC-Arzneimittel, das synthetisch hergestellte Marinol, welches in den USA und Kanada auf dem Markt ist. Bisher ist nach Angaben der Auslandsapotheke Paesel und Lorei, Frankfurt, unklar, wie lange der Import dauern wird und wie hoch der Apothekenabgabepreis sein wird.
(Quelle: Bundestagsdrucksache 881/97; Niederschrift der 396. Ausschußsitzung des Gesundheitsausschusses des Bundesrates am 3. Dezember 1997; Schreiben von Dr. Möller aus dem BMG vom 6. Januar 1998; persönliche Mitteilung Paesel und Lorei).
Deutschland: Verbot von Hanfsamen zum unerlaubten Anbau
Bisher war Hanfsamen vom Betäubungsmittelgesetz grundsätzlich ausgenommen. nach der 10. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung ist diese Ausnahme eingeschränkt und bezieht sich auf "Samen, sofern er nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt ist" (Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe c). Verkauf, Handel und Besitz von Hanfsamen ist also erlaubt, es sei denn, er ist zum unerlaubten Anbau bestimmt.
In der Begründung heißt es zu dieser Gesetzesverschärfung:
"... Damit soll dem verbreiteten Vertrieb von Cannabissamen für den individuellen Anbau von Hanf zu Rauschzwecken entgegengewirkt werden. Von einem derartigen Vertrieb ist insbesondere dann auszugehen, wenn spezielle Samen in zählbarer Körnermenge (z. B. 10 Samenkörner für bis zu 150,- DM) häufig in Verbindung mit Beleuchtungssystemen für den Anbau in Wohnräumen und Kellern und/oder mit Angaben des Tetrahydrocannabinol (THC) -Gehaltes der angebauten Pflanze, angeboten und damit zu einem nicht erlaubten Hanfanbau verleitet wird."
Ein Änderungsantrag des Landes Schleswig-Holstein auf der Bundesratssitzung am 19. Dezember 1997 fand keine Mehrheit. Dort heißt in der Begründung zur Praxis des illegalen Selbstanbaus von Drogenhanf:
"Rechtlich ist dieser Zustand unbefriedigend, aber aus gesundheitspolitischer Sicht immer noch dem Erwerb auf dem Schwarzmarkt vorzuziehen. Die Konsumenten setzen sich beim Eigenanbau so z. B. nicht dem Risiko aus, sich
durch Pflanzenschutzmittel, mit denen importiertes Cannabis häufig verunreinigt ist, zu gefährden. Daneben vermeiden sie ganz gezielt den Kontakt zu den Dealern anderer Drogen, den schon das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 09.03.1994 als die eigentliche Gefahr von Cannabis benannt hatte."
In einer Pressemitteilung kritisierte Gesundheits- und Sozialministerin Heide Moser das Samenverbot: "Anstatt sich vermehrt um harte Drogen und den Dealerbereich kümmern zu können, sollen Polizei und Staatsanwaltschaft als 'Saatgut- und Körnersachverständige' tätig werden und im Vogelfutter nach Cannabissaat suchen."
(Quellen: Bundestagsdrucksache 881/97; Antrag des Landes Schleswig-Holstein, Drucksache 881/2/97; Pressemitteilung von Sozialministerin Heide Moser vom 19. Dezember 1997)
Wissenschaft: Lancet-Editorial zu Cannabis als Medizin
Ein Editoral in der international renommierten medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" von Kelly Morris vom 20. Dezember 1997 (The cannabis remedy -- wonder worker or evil weed?) weist auf das zunehmende Interesse am arzneilichen Potential der Cannabinoide hin.
Während Inhaltsstoffe des Opiums wie beispielsweise Morphin trotz der mißbräuchlichen Verwendung als effektive Therapeutika angesehen werden, sei dies für eine andere Pflanze, Cannabis sativa, weniger klar. Jedoch hätten in 1997 sowohl das US-amerikanische National Institutes of Health als auch die britische medizinische Gesellschaft (British Medical Association) Berichte über die mögliche therapeutische Verwendung von Cannabis und den Cannabinoiden bei einer Anzahl von Krankheiten veröffentlicht.
Viele der Schwierigkeiten in der Diskussion seien politischer Natur, da die Diskussion um die medizinische Verwendung mit der rekreativen Verwendung von Cannabis verwoben sei. Wayne Hall, Direktor des australischen nationalen Drogen- und Alkohol-Forschnungszentrum in Sydney wird zitiert: "Unter den Unterstützern der therapeutischen Verwendung befinden sich einige, die die Verwendung zu Genußzwecken unterstützen. Dies hat jene, die eine Legalisierung ablehnen, zur Negierung seines therapeutischen Potentials veranlaßt und zu einer Blockierung von Versuchen, dies zu erforschen." Die Polarisierung in Wunderdroge und Teufelskraut mache aus einem medizinischen Thema Politik.
Ein elektronischer Briefwechsel zwischen dem Vorsitzenden der ACM, Dr. Franjo Grotenhermen, und dem Senior Editor des Lancet, Kelly Morris, mündete in einem Leserbrief. Darin heißt es:
"Einzelne Cannabinoide sind teure Medikamente und werden selten verwendet. Obwohl wir es als Wissenschaftler ignorieren können, als Ärzte sollten wir die Tatsache bedenken, daß die Verwendung illegaler natürlicher Cannabisprodukte unsicherer Qualität so lange anhalten wird, bis ein einfacher legaler Zugang zu preiswerten medizinischen Cannabiszubereitungen geschaffen ist. Es muß starke wissenschaftliche Argumente gegen eine medizinische Verwendung der ganzen Pflanze geben, um diese unbefriedigende Situation zu rechtfertigen."
(Quelle: The cannabis remedy -- wonder worker or evil weed? [Editorial von K. Morris]. The Lancet 1997;350:1828; Leserbrief von Franjo Grotenhermen, bisher unveröffentlicht)
Deutschland: ACM-Informationen goes international
Ab der nächsten Ausgabe der ACM-Informationen - Ausgabe am 24. Januar - wird eine englische Kurzfassung erscheinen. Die erste Ausgabe geht an die folgenden Adressaten:
Alliance for Cannabis Therapeutics USA
ARSEC
Australian Hemp ResQuelle (Carolyn Ditchfield)
Clare Hodge (Alliance for Cannabis Therapeutics GB)
CORA
Ethan Nadelmann (Lindesmith Center)
ICARE (Mary Lynn Mathre)
ICRS (Diane Mahadeen)
IHA
Institute of Medical Marijuana
JIHA (Hayo van der Werf)
Lester Grinspoon
MAPS
Maripharm
NORML
Paul Chang
Raphael Mechoulam
Richard Rose
Rick Doblin
Roger Pertwee
Wenn Sie Vorschläge für weitere interessierte Personen oder Institutionen haben, so senden Sie diese bitte mit der Email-Adresse an die ACM.
Veranstaltungen 2020
Alle Informationen zu den IACM Online Events inklusive kostenlose Videos der Webinare mit deutschen Untertiteln finden Sie hier.
IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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