IACM-Informationen vom 17. April 1999
- Australien: Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabis
- Wissenschaft: Wechselwirkung zwischen Anandamid und Dopamin, eine Basis für die Therapie von Bewegungsstörungen und Schizophrenie
- USA: Umsetzung des Gesetzes zur medizinischen Verwendung von Marihuana in einer kalifornischen Stadt
- Kurzmeldungen
- Blick in die Vergangenheit
Australien: Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabis
Die meisten Menschen, die regelmäßig Cannabis für medizinische Zwecke verwenden, haben nach einer am 15. April veröffentlichten Umfrage die Verwendung der illegalen Droge mit einem Arzt oder einem Gesundheitsarbeiter besprochen. "Die Umfrage zeigt, dass praktische Ärzte nicht vor Wut explodieren und die Menschen aus ihrem Zimmer werfen, wenn ein Patient von einer Cannabisverwendung spricht," erklärte der Autor der Umfrage, David Helliwell aus der Stadt Nimbin im nördlichen New South Wales.
Er analysierte die Antworten von 202 medizinischen Cannabisanwendern aus New South Wales, Queensland, Viktoria, Südaustralien und Übersee. 63 Prozent der Antwortenden hatten die Cannabisanwendung mit einem Gesundheitsarbeiter besprochen, während 50 Prozent mit ihrem Hausarzt gesprochen hatten.
Dr. Helliwell erklärte, seine Forschung habe ergeben, dass einige Menschen mit chronischen Schmerzen, beispielsweise solche, die mit verzögert freigesetzten Morphinen oder anderen starken schmerzlindernden Medikamenten behandelt würden, durch Cannabis zur Dosisreduktion in der Lage gewesen seien. Unter den Cannabisanwendern waren Angst und Stress die häufigsten Beschwerden. 71 Prozent erklärten, sie verwendeten die Droge zur Verminderung dieser Symptome. Depression war mit 56 Prozent der Antwortenden der zweithäufigste Zustand, gefolgt von körperlichen Schmerzen in 55 Prozent.
Etwas über die Hälfte der weiblichen Antwortenden, nämlich 51 Prozent, erklärten, sie würden Cannabis gegen prämenstruelles Spannungsgefühl und schmerzhafte Menstruation verwenden. Andere mit Cannabis behandelte Symptome waren Übelkeit (32 Prozent), chronische Schmerzen (31 Prozent), Muskelkrämpfe (23,5), Verdauungsprobleme (21,5), Glaukom (4,5), Übelkeit bei Chemotherapie (3,5) und Abmagerung bei HIV/Aids.
(Quelle: AAP vom 15. April 1999)
Wissenschaft: Wechselwirkung zwischen Anandamid und Dopamin, eine Basis für die Therapie von Bewegungsstörungen und Schizophrenie
In einer Gehirnregion, dem sogenannten Striatum, die die Planung und Durchführung motorischen Verhaltens kontrolliert, haben Forscher der Universität von Kalifornien in Irvine Wechselwirkungen zwischen dem Endocannabinoid-Signalsystems und dem Dopamin-Neurotransmittersystem nachgewiesen. Das Striatum enthält eine große Anzahl an CB1-Cannabinoidrezeptoren. Abweichungen von der normalen Neuromodulation werden in Verbindung mit Erkrankungen wie Parkinsonsche Erkrankung und Tourette-Syndrom gebracht. Dr. A. Giuffrida und Kollegen deckten einen physiologischen Mechanismus auf, mit dem Endocannabinoide an der Funktion der Nervenzellen im Striatum beteiligt sind. Ihre Studie mit männlichen Ratten wurde in der April-Ausgabe von 'nature neuroscience' veröffentlicht (Giuffrida et al. 1999).
Es fanden sich folgende Ergebnisse:
1. Das Endocannabinoid Anandamid wird durch nervale Aktivität freigesetzt, aber es gab keine Wirkung auf die Endocannabinoide Palmitylethanolamid, Oleylethanolamid und 2-Arachidonylglycerol. Dies zeige, dass diese Rolle im Striatum spezifisch für Anandamid ist.
2. Die Aktivierung von Dopaminrezeptoren mit dopamin-2(D2)-ähnlichen Rezeptorliganden führt zu einer Stimulation der Anandamid-Freisetzung um das Achtfache. Dopamin-1(D1)-ähnliche Rezeptoragonisten waren ohne Einfluss.
3. Die Verhaltensreaktion auf eine systemische Gabe von D2-ähnlichen Agonisten -- eine zweiphasige motorische Antwort, charakterisiert durch eine vorübergehende Unterdrückung der Bewegung, gefolgt von einer längerdauernden Hyperaktivität -- wurde durch den CB1-Rezeptorantagonisten SR141716A beeinflusst. Die zweite Phase wurde durch den CB1-Antagonisten deutlich potenziert.
Die Forscher schlossen daraus, dass die physiologische Rolle des Anandamids darin bestehen könnte, "die Dopamin-Stimulation der motorischen Aktivität zu kontern. (...) Daher könnten unsere Befunde Bedeutung für neuropsychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie, Tourette-Syndrom und Parkinsonsche Erkrankung haben und auf neue therapeutische Ansätze für diese Zustände hinweisen." Es scheine so, dass Anandamid im zentralen Nervensystem mehr als ein lokaler Mittler fungiere, ähnlich wie die Prostaglandine, denn als klassischer Neuromodulator.
In einem Kommentar ergänzte David W. Self von der Abteilung für Molekulare Psychiatrie der Yale-Universität, dass diese Forschung verspreche, "Anandamid von einem Kandidaten zu einem echten Neurotransmitter zu wandeln" (Self 1999). Im Striatum scheine Anandamid "wie eine Bremse zu funktionieren", die die Verhaltensreaktion auf eine Dopamin-Rezeptoraktivierung begrenze. Dies könnte zur Entwicklung von Medikamenten führen, die den Cannabinoidrezeptor blockieren und damit die therapeutische Wirksamkeit von Behandlungen auf Dopamin-Basis verstärken, und zu Medikamenten, die den CB1-Rezeptor stimulieren und so die dyskinetischen Bewegungen bei einem Überangebot von Dopamin vermindern.
Diese Hypothese wird unterstützt durch die erfolgreiche Verwendung von Cannabis durch Patienten, die an hyperkinetischen Bewegungsstörungen leiden, wie Zittern bei Multipler Sklerose, Tourette-Syndrom und tardive Dyskinesie als Folge einer antipsychotischen Medikation. J. M. Brotchie von der Universität von Manchester in Großbritannien diskutierte zudem den Einsatz von Cannabinoiden als Zusatztherapie zum Dopaminersatz, um so die Probleme mit Dyskinesien bei der Parkinsonschen Erkrankung zu reduzieren (Brotchie 1998).
(Quellen: Giuffrida A, et al: nature neuroscience (1999 Apr) 2(4):358-63; Self DW: nature neuroscience (1999 Apr) 2(4):303-4; Brotchie JM: Mov Disord (1998 Nov) 13(6):871-6; Reuters vom 24. März 1999)
USA: Umsetzung des Gesetzes zur medizinischen Verwendung von Marihuana in einer kalifornischen Stadt
Behördenvertreter von Arcata, Kalifornien, haben einen Weg gefunden, um die staatliche Proposition 215, eine Initiative der Wähler für die Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke aus dem Jahre 1996, umzusetzen. "Hier halten die Vertreter des Gesetzes den Olivenzweig über Menschen, die medizinisches Marihuana rauchen," erklärte Mel Brown, Arcatas Polizeichef.
Brown stellt Fotos enthaltende Identifikationskarten mit seiner Unterschrift für Menschen aus, die sich als medizinische Marihuana-Patienten registrieren lassen. Um sich registrieren zu lassen, müssen diese bestätigen, dass sie eine ärztliche Empfehlung besitzen. Brown hält seine Polizisten an, Marihuana-Anbauer oder -Raucher, die die Identifikationskarte bei sich tragen, nicht zu verhaften. Bisher hat er etwa 100 dieser "Bleib aus dem Knast"-Karten ausgestellt.
"Was das Programm in Arcata funktionieren lässt, ist die Tatsache, dass die Polizeibehörden und die medizinische Gemeinschaft beteiligt sind," erklärte Nathan Barankin, Sprecher des Generalstaatsanwalts von Kalifornien, Bill Lockyer. Nachdem das Bundesjustizministerium wegen der Verletzung der Bundesgesetze durch Marihuana einen Gerichtsbeschluss zur Schließung der meisten Cannabisklubs in Kalifornien erwirkt hatte, sucht Lockyer nach einem Kompromiss, der die Wut der Bundesbeamten vermeidet. Er hat ein Sonderdezernat mit Behördenvertretern und Unterstützern der medizinischen Verwendung von Marihuana eingerichtet, um dieses Thema zu behandeln.
"Das Sonderdezernat wurde gebeten, sich Arcata als Modell anzuschauen und vielleicht einige Empfehlungen abzugeben, ob das, was für Arcata funktioniert auch für Los Angeles und andere größere Gemeinden funktioniert," erklärte Barankin. Es wird erwartet, dass Distriktstaatsanwalt Norman Vroma ein ähnliches Identifikationskartensystem im Kreis Mendocino einführen wird.
(Quellen: AP vom 9. April 1999, Join Together Online vom 13. April 1999)
Kurzmeldungen
Kanada:
78 Prozent der Kanadier unterstützen nach einer Erhebung von Decima Research Incorporated die Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke. Die Firma für Meinungsumfragen befragte 2.026 erwachsene Kanadier, ob sie der jüngsten Überlegung der Bundesregierung, Marihuana zur medizinischen Behandlung zuzulassen, sehr zustimmen, zustimmen, widersprechen oder sehr widersprechen.
(Quelle: NORML vom 8. April 1999)
USA:
Mary Jane Rathburn, besser bekannt als "Brownie Mary", die großmütterliche Aktivistin, deren Verhaftungen wegen der Verteilung von Haschischplätzchen ('Brownies') an Aids-Patienten ein Impuls für die medizinische Marihuana-Bewegung wurde, ist mit 77 Jahren gestorben. Sie starb am 10. April in einem Krankenhaus an ungenannten Ursachen. Frau Rathburn wurde in den ersten Tagen der Aids-Epidemie eine feste Einrichtung im allgemeinen Krankenhaus von San Francisco, als sie Marihuana-enthaltende Backwaren zubereitete und an Kranke verteilte, um ihre Übelkeit und ihre Schmerzen zu lindern.
(Quelle: AP vom 12. April 1999)
USA:
Vertreter des Kreis San Mateo (Kalifornien) übergaben dem Nationalen Institut für der Drogenmissbrauch (NIDA) einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung klinischer Studien mit Marihuana an Patienten, die an schwerer Übelkeit und Gewichtsverlust leiden. Es handelt sich seit 1996 um die dritte staatliche Regierungsbehörde, die einen Antrag auf Erforschung der medizinischen Qualitäten von Marihuana gestellt hat. Frühere Anträge von Gesundheitsbehörden der Staaten Washington und Massachusetts wurden von der Behörde abgelehnt. NIDA lehnte im letzten Herbst auch einen weiteren Antrag privater Forscher zur Untersuchung von Marihuana in der Migränetherapie ab.
(Quelle: NORML vom 8. April 1999)
Großbritannien:
Die 51 Jahre alte Candace Kelly, die zu Hause Cannabispflanzen zur Linderung der Schmerzen beim chronischem Müdigkeitssyndrom anbaute, wurde von einem Gericht in Plymouth zu 12 Monaten Gefängnis auf ein Jahr Bewährung verurteilt. Der 49 Jahre alte Peter Harris, der an einer schmerzhaften degenerativen Wirbelsäulenerkrankung leidet, wurde zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er sich schuldig erklärt hatte, Cannabispflanzen in zwei Schlafzimmern seines Hauses angebaut zu haben und einige der Blüten einem Freund gegeben zu haben, der ebenfalls an Beschwerden leidet, die mit konventionellen Medikamenten nicht behandelt werden konnten.
(Quellen: PA News vom 8. und 16 April 1999)
Deutschland:
Nur eine Apotheke in Deutschland -- in Frankfurt -- darf derzeit den Cannabisinhaltsstoff THC bzw. Dronabinol vertreiben. Das hat der Frankfurter Stadtrat auf eine Anfrage der Grünen im Römer mitgeteilt. Dass bislang nur eine Apotheke Dronabinol herstellt beziehungsweise vertreibt, liege daran, dass sich andere Apotheken nicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte um die notwendige Erlaubnis beworben haben.
(Quelle: Frankfurter Rundschau vom 15. April 1999)
Blick in die Vergangenheit
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IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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