ACM-Mitteilungen vom 09. Februar 2019
- Liebe Leserin, lieber Leser,
- Presseschau: Wie häufig sind »Spaßverordnungen«? (Pharmazeutische Zeitung)
- Presseschau: Gibt es einen Glaubenskrieg in der Cannabistherapie? (Deutsche Apotheker Zeitung)
- Presseschau: Unterschiede in der Verordnung von Medizinalcannabis (Ärzteblatt)
- Presseschau: Immer mehr deutsche Patienten bekommen Cannabis auf Rezept (Handelsblatt)
- Presseschau: Erste Ernte möglicherweise Ende 2020 (Stuttgarter Zeitung)
- Presseschau: Einsatz von Cannabis in der Medizin ernst nehmen, fordern die Abgeordneten (Europäisches Parlament)
- Presseschau: Neubewertung von Cannabis der WHO (taz)
- Presseschau: "In drei Jahren wird Cannabis in Schweizer Apotheken verkauft" (Swissinfo, Schweiz)
- Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
Liebe Leserin, lieber Leser,
in einem Artikel in der Pharmazeutischen Zeitung unter dem Titel „Wie häufig sind Spaßverordnungen?“ versuchten Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, und Dr. Dirk Bodendiek, Präsident der Ärztekammer Sachsen, einen Teil der Ärzte, die Cannabis verordnen, zu diskreditieren. Die Deutsche Apotheker Zeitung stellt in einem Bericht über die gleiche Veranstaltung mit dem Thema „Cannabis als Medizin – Gefahren des Missbrauchs?“ die Frage: „Gibt es einen Glaubenskrieg in der Cannabistherapie?“
Vertreter der Landesärztekammer Sachsen, der Dr. Bodendiek vorsitzt, haben sich bisher in der Diskussion zum therapeutischen Potenzial von Cannabis vor allem dadurch einen Namen gemacht, dass sie dieses Potenzial gering schätzen, dass Missbrauchspotenzial jedoch hoch. Herr Dr. Kiefer neigt als Vertreter der Apotheker dazu, Patienten, die unverarbeitete Blüten verwenden anstatt Zubereitungen nach Rezepturvorschriften seines Verbandes unter Missbrauchsverdacht zu stellen. Es ist verständlich, dass die Sponsoren der Veranstaltung, Bionorica Ethics (Hersteller von Dronabinol) und Tilray (Hersteller standardisierter Extrakte) vor allem Personen eingeladen haben, die ihre Position unterstützen und damit den Umsatz ihrer Produkte fördern. Einzig Professor Dr. Joachim Nadstawek, Schmerztherapeut aus Bonn, der als einziger der Diskutanten praktische Erfahrung mit der Therapie hat, hat dagegen gehalten und darauf hingewiesen, dass Kostenübernahmeanträge zu häufig abgelehnt werden. Das ist die Realität. Das ist die Erfahrung, die viele Ärzte und Patienten machen.
Es geht nicht um einen Glaubenskrieg, sondern um Verteilungskämpfe innerhalb der Cannabisindustrie. Es geht um Marktanteile und Profite. Das wissen auch alle Beteiligten. Nach meiner Auffassung soll auch Geld verdient werden, damit die Firmen mit Enthusiasmus arbeiten und die Forschung vorantreiben können. Das Patientenwohl muss allerdings im Vordergrund stehen. Das kommt in der Debatte häufig zu kurz.
Zum Thema Missbrauch hier einige Anmerkungen:
1. Alle Medikamente, die psychische Wirkungen verursachen, darunter Benzodiazepine, Opiate und Amphetamine werden missbraucht. Und die Quelle sind häufig verschreibende Ärzte. Das wird es auch bei cannabisbasierten Medikamenten geben. Allerdings habe ich aufgrund der Rückmeldungen, die ich erhalte, eher den Eindruck, dass viele Ärzte bereitwillig Benzodiazepine, Neuroleptika, Opiate und Methylphenidat verschreiben und bei Cannabis eher zurückhaltend sind. Es ist daher absurd, im Zusammenhang mit Missbrauch vor allem Cannabis hervorzuheben. Der Benzodiazepin-Verbrauch in Deutschland und die massenhafte Verschreibung von Methylphenidat sowie die Opiat-Epidemie in den USA legen eher nahe, dass diese Substanzklassen ein Problem darstellen. Es ist natürlich richtig, auch bei Cannabis wachsam zu sein. Die Ärzteschaft sollte allerdings mit der Missbrauchskeule begründete Eingriffe in die Therapiehoheit entschieden zurückweisen.
2. Dr. Kiefer betrachtet die hohe Zahl der Verschreibungen unverarbeiteter Cannabisblüten „mehr als einen deutlichen Hinweis“, dass diese nicht nur rational und therapeutisch eingesetzt werden. Dieser Schluss ist unzulässig. Alle verfügbaren Präparate haben ihren Platz in der modernen Medizin, isolierte Cannabinoide, standardisierte Extrakte, Zubereitungen in der Apotheke und unverarbeitete Blüten. Es gibt eine rationale Therapie mit Cannabisblüten, wenn diese der Therapie mit anderen Präparaten überlegen, weil variabler in den Möglichkeiten ist. Dieser Vorwurf wird noch absurder, wenn man die Situation in Deutschland mit anderen Ländern vergleicht, in denen standardisierte Präparate eine untergeordnete Rolle spielen. Auch in diesen Ländern wird von Ärzten mit Cannabis eine gute Medizin betrieben.
3. Ich kann nachvollziehen, dass Ärzte wie Dr. Bodendiek aufgrund ihrer Cannabisängste keine Gelegenheit verstreichen lassen, um die Möglichkeiten der Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten wieder einzuschränken und das Rad zurückzudrehen. Wer diese Position einnimmt, verhindert, dass vielen Patienten eine wirksame Therapie erhalten. Das kann nicht im Interesse verantwortlicher Personen in Politik und Gesundheitswesen sein. Im Gegenteil: Wir erleben als Ärzte im Alltag, dass die bestehende Rechtslage unzureichend ist, weil vielen verzweifelten Patienten eine solche Behandlung vorenthalten wird. Viele Ärzte sind bereits heute frustriert, dass sie sich häufig kaum gegen die Krankenkassen bzw. den MDK, der am Schreibtisch entscheidet, durchsetzen können.
4. Wer Patienten, die sich in ihrer Not früher illegal behandelt haben, weil es keine ausreichenden legalen Möglichkeiten gab, ihre Selbstmedikation vorhält und als Missbrauch diskreditiert, verwechselt Recht und Rechtslage. Es war ein Unrecht, diesen Patienten vor 10, 20 oder 30 Jahren keine legale Therapieoption zu eröffnen. Bereits am 31. Juli 2000 befand das Berufungsgericht von Ontario Kanadas Cannabisgesetz für „verfassungswidrig“, weil es die Bedürfnisse kranker Kanadier, die das Medikament als Arzneimittel verwenden, nicht berücksichtigte. Die Richter stellten fest, dass das völlige Verbot von Cannabis Patienten zwinge, zwischen Gesundheit und Gefängnis zu wählen. Wer diesen Patienten ihr illegales Handeln vorwirft, vergisst, dass die Rechtslage ein Unrecht darstellte. Fast niemand – mit Ausnahme ausgeprägter Homophobiker – käme heute auf die Idee, Homosexuellen vorzuwerfen, dass sie auch schon vor 30 Jahren homosexuell waren. Wenn es um Cannabis geht, scheint es vielen Teilnehmer in die Debatte jedoch leicht zu fallen, das damalige Unrecht aus zu blenden.
Schätzungen liegen jetzt bei 40.000 Patienten, die cannabisbasierte Medikamente in Deutschland einsetzen. Damit sind deutsche Patienten weiterhin völlig unzureichend mit entsprechenden Präparaten versorgt. Zahlen aus anderen Industrieländern zeigen, dass der Bedarf bei 1 bis 2 % der Bevölkerung liegt. Das entspricht für Deutschland 800.000-1.600.000 Bürger.
Wir sind erst am Anfang einer notwendigen Entwicklung. Wer diese Entwicklung bremsen will, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er Patienten in Deutschland weiterhin eine wirksame Therapie ihrer chronischen Erkrankung vorenthalten will. Denn darum geht es. Es geht um eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung. Dann kann auch ruhig Geld damit verdient werden.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Wie häufig sind »Spaßverordnungen«? (Pharmazeutische Zeitung)
Die Behauptung, es gebe Spaßverordnungen von Cannabis, ist eine perfide Unterstellung, die die Ärzteschaft zurückweisen sollte. Dieser Begriff hat das Potential zum Unwort des Jahres im Gesundheitswesen.
Wie häufig sind »Spaßverordnungen«?
Die Gefahren des Missbrauchs bei der medizinischen Anwendung von Cannabis waren das Thema einer Veranstaltung des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) heute in Berlin. Dieser befürchtet angesichts des Einflusses einer »recht massiven Cannabis-Lobby« eine »schleichende Grenzverwischung zwischen Cannabis als Arzneimittel und Cannabis als Genussdroge« – eine Entwicklung, vor der auch die Bundesapothekerkammer (BAK) schon mehrfach gewarnt hatte.
Ein Indiz einer solchen Grenzverwischung wäre die missbräuchliche Anwendung von Cannabis auf Rezept, für die BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer durchaus Hinweise sieht. Die Zahl der Rezepte und der Umsatz pro 1000 GKV-Versicherte für cannabishaltige Rezepturen seien seit März 2017 kontinuierlich angestiegen auf zuletzt (Oktober 2018) etwa 10.000 Rezepte und 81.000 EURo Umsatz. Das allein sei zwar noch kein Anzeichen für eine mögliche missbräuchliche Anwendung. Unterscheide man jedoch die Rezepturen in Zubereitungen aus Cannabis und unverarbeitete Cannabisdroge, ergebe sich ein anderes Bild: Denn pro Rezept werde mengenmäßig deutlich mehr unverarbeitete Cannabisdroge abgegeben, als wenn eine Zubereitung verordnet wird. Im November 2018 seien rund 6300 Mal Zubereitungen aus Cannabis und rund 4300 Mal unverarbeitete Cannabisdroge abgegeben worden; die abgegebenen Einheiten waren dagegen 7200 zu 6600. »Das ist für mich mehr als ein deutlicher Hinweis, dass es nicht nur im Sinne einer rationalen Pharmakotherapie eingesetzt wird«, sagte Kiefer.
Auch eine zweite Statistik weise aus seiner Sicht in diese Richtung, nämlich die Verordnungshäufigkeit in den einzelnen Bundesländern. Spitzenreiter sind Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Berlin und das Saarland; hier liegt die Verordnungshäufigkeit zum Teil deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Der Unterschied sei hoch, so Kiefer, die Spanne reiche von circa 30 EURo bis knapp 150 EURo pro 1000 GKV-Versicherte. »Gäbe es eine anerkannte Ratio in der Pharmakotherapie mit Cannabiszubereitungen, dürfte das nicht so sein.« Die große Differenz sei für ihn ein Hinweis, dass »offensichtlich der medizinische Bedarf nicht die Maßgröße ist, nach der Cannabis verordnet wird«, sagte der Apotheker.
Für die Kostenübernahme fehlen noch etablierte Kriterien
Wird Cannabis verordnet, muss die Krankenkasse die Kostenübernahme zunächst genehmigen. Hierfür fehlen momentan noch etablierte Kriterien, bemängelte Dr. Detlev Parow, Leiter der Abteilung Arznei-/Hilfsmittel und sonstige Leistungen bei der DAK-Gesundheit. »Wir bewegen uns hier weitgehend in einem evidenzfreien Raum.« 99 Prozent der Anträge würden daher momentan vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) geprüft. Parow wies auf die großen Preisunterschiede zwischen der Droge und anderen cannabishaltigen Arzneimitteln hin. So seien Cannabisblüten etwa sechsmal so teuer wie Dronabinol. Auch vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots ist daher der starke Anstieg der Verordnungen von unverarbeiteter Cannabisdroge fragwürdig.
Dr. Axel Meeßen vom MDK Berlin-Brandenburg machte dagegen auch medizinische Bedenken geltend. Unverarbeitete Cannabisblüten sind häufig zur inhalativen Anwendung bestimmt. Hierbei fluten die enthaltenen Wirkstoffe wie ∆9-Tetrahydrocannabinol (THC) sehr schnell an und wieder ab. Bei der oralen Anwendung verläuft die Wirkspiegelkurve dagegen deutlich flacher. Starke Wirkspiegelspitzen sind bekanntlich mit einem höheren Missbrauchspotenzial assoziiert. »Inhalatives Cannabis müsste raus aus der Verordnungsfähigkeit. Es hat in der Therapie chronischer Schmerzen keinen Stellenwert«, lautete Meeßens Fazit.
Gegen den Verdacht, dass Ärzte durch die Verordnung von Cannabis in manchen Fällen einen Missbrauch unterstützen, wehrte sich Professor Dr. Joachim Nadstawek, Schmerzmediziner aus Bonn und Mitglied im Vorstand des BVSD, entschieden: »Ich erlebe in meiner Praxis keine Patienten, die eine Dosissteigerung fordern, wie es ja bei einem Missbrauch zu erwarten wäre.« Er kritisierte stattdessen, dass zu viele Anträge vom MDK abgelehnt würden – auch solche von Palliativpatienten.
Möglicherweise sind es aber ohnehin nicht spezialisierte Schmerzmediziner wie Nadstawek, die Cannabis zu leichtfertig einsetzen, sondern andere Fachärzte. »Der Druck, Cannabis zu verordnen, lastet eher auf den Allgemeinärzten«, sagte Erik Bodendiek von der Bundesärztekammer. Eine Möglichkeit, Fehlanwendungen zu vermeiden, sei daher aus seiner Sicht, die Berechtigung zur Verordnung von Cannabis auf einzelne Facharztgruppen zu beschränken.
Presseschau: Gibt es einen Glaubenskrieg in der Cannabistherapie? (Deutsche Apotheker Zeitung)
Es gibt einen Verteilungskrieg der Cannabisindustrie um die größten Profite. Es geht um mehr als um einen Glaubenskrieg. Es geht ums Geld.
Gibt es einen Glaubenskrieg in der Cannabistherapie?
Beim sogenannten Cannabisgesetz muss nachgebessert werden. Darüber waren sich Vertreter der Pharmazie, Medizin und der Kostenträger auf einer interdisziplinären Veranstaltung am vergangenen Freitag einig. Außerdem war die Mehrheit der Referenten davon überzeugt, dass die Verordnung von Cannabisblüten mit einem hohen Missbrauchspotenzial verbunden sei, im Gegensatz zu standardisierten Fertigarzneimitteln. Belege oder Zahlen gebe es dazu allerdings nicht.
Cannabis als Medizin polarisiert die Fachwelt. Erik Bodendiek von der Bundes-ärztekammer sprach in einem Vortrag am vergangenen Freitag sogar von einem „Glaubenskrieg“. Den Begriffsteil „Glauben“ habe er deshalb gewählt, weil seiner Meinung nach bei der Cannabismedizin eher die Eminenz als die Evidenz dominiere.
Auf der interdisziplinären Veranstaltung „Cannabis als Medizin – Gefahren des Missbrauchs?“ übte der Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sucht und Drogen heftige Kritik an der derzeitigen Regelung zur Medizinalhanf-Verschreibung. Vor Ort in Berlin waren außerdem Dr. Andreas Kiefer (Bundesapothekerkammer), Dr. Detlev Parow (DAK-Gesundheit), Dr. Axel Meeßen (MDK Berlin-Brandenburg) und Professor Joachim Nadstawek. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Institut für Gesundheitssystementwicklung und dem Berufsverband der Ärzte, Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD). Finanzielle Unterstützung gab es seitens des Extraktherstellers Tilray sowie von Bionorica Ethics, die die Rezeptursubstanz Dronabinol vertreiben.
Druck auf die Ärzteschaft
Bodendiek monierte, dass der Gesetzgeber den Cannabisblüten durch Aufnahme ins SGB V einen Medikamentenstatus verliehen habe, ohne dass diese eine Arzneimittelzulassung durchlaufen hätten. Und die vorhandene Evidenz sei von schlechter Qualität. Des Weiteren vermisse die Bundesärztekammer eine Indikationsliste.
Der dritte Kritikpunkt bestehe darin, dass auf dem verordnenden Arzt ein zu großer Druck laste. Denn in den meisten Fällen ginge die Initiative für eine Cannabis-therapie von Patienten aus, die bereits Konsumerfahrung hätten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Grenzen zur „Selbstmedikation“ oft fließend sind. Dies liegt unter anderem daran, dass das Cannabisgesetz erst vor knapp zwei Jahren in Kraft trat, die Ablehnungsquote zu Beginn besonders hoch war und viele Chroniker auf „alternative Bezugsquellen“ ausgewichen waren.
Steigende Verordnungen als Zeichen für Missbrauch?
Doch inzwischen ist offenbar eine Art Lernkurve eingetreten. Die Genehmigungs-quote hat sich kassenübergreifend auf immerhin zwei Drittel stabilisiert und die Zahl der Cannabisrezepte steigt. Der wachsende Bedarf ist für BAK-Präsident Kiefer ein Anzeichen für das Missbrauchspotenzial, insbesondere bei dem hohen Blütenanteil: Laut aktuellen GKV-Verordnungszahlen wurden von Januar bis September 2018 rund 128.000 Cannabisverordnungen auf Kassenrezept ausgestellt, davon entfallen 42.428 Verordnungen auf unverarbeitete Cannabisblüten und 43.087 auf die heterogene Gruppe der „Cannabishaltigen Zubereitungen“.
Kiefer warnt vor „Papieranalytik“
Cannabisrezepturen verursachten in der Apotheke viel Arbeit, gab Kiefer zu bedenken. Dies liege zum einen an der Kommunikation rund um die Lieferengpässe, zum anderen an dem hohen Prüfaufwand, der offenbar vom jeweiligen Bundesland abhänge. In dem Zusammenhang warnte Kiefer davor, dem Beispiel Schleswig-Holstein zu folgen, wo Cannabisblüten aus den Niederlanden als Fertigarzneimittel eingestuft würden. Denn ein Fertigarzneimittel sei nur mit einer Arzneimittel-zulassung verkehrsfähig und der komplette Verzicht auf die Identitätsprüfung berge die Gefahr, dass verschnittene Ware in die Apotheken käme.
Und sich auf Prüfzertifikate im Sinne einer „Papieranalytik“ zu verlassen, sei riskant, wie man am Beispiel der Valsartankrise gesehen habe. „Es gibt seitens der Apothekerschaft keinen Grund, alle Sicherheitsbedenken über Bord zu werfen“, betonte der Apotheker. Seiner Ansicht nach soll sich die Bundespolitik zu der „Fertigarzneimittelfrage“ positionieren, anstelle dies den Bundesländern zu überlassen.
Bei der Frage um den Prüfaufwand ist zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung die Cannabiskosten halbieren will. Mit dem Entwurf für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) werden der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband dazu aufgefordert, sich auf niedrige Apothekenzuschläge zu einigen. Einen bundeseinheitlichen Gegenvorschlag zur Entlastung der Pharmazeuten gibt es allerdings nicht.
Wie teuer sind Cannabisblüten?
Um's Geld ging es auch bei den Wortbeiträgen der Kostenträger. Aus Sicht von Parow (DAK) seien die Blüten die teuerste Cannabisarznei. Dazu zog er eine Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) heran, derzufolge die monatlichen Kosten für eine Therapie mit Dronabinol 440 EURo, für die Behandlung mit Cannabisblüten 2.170 EURo kosten würden.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die TK diese Zahlen anhand der Höchstmengen laut Betäubungsmittelverschreibungsverordnung angibt. Diese betragen für Dronabinol, das THC in Reinstform entspricht, 500 Milligramm und 100 Gramm für die Blüten. Diese Höchstmengen sind allerdings keine äquivalenten Verschreibungsmengen. Bei einer Blütensorte mit einem THC-Gehalt von 20 Prozent, wie in der Schmerztherapie häufig eingesetzt, unterscheidet sich die Ausgangsbasis für die TK-Berechnungen beispielsweise um den Faktor 40.
Doch die Auffassung, dass Blüten „teurer“ sind als andere Cannabisarzneien, hat sich bei den Kassen offenbar durchgesetzt. Außerdem kritisierte Parow die Vermischung der Freizeit- und medizinischen Anwendung. „Die Leute sollen konsumieren, was sie wollen, wenn sie es nur selbst bezahlen“, so der DAK-Experte.
MDK möchte mehr Kompetenz
Auch Meeßen, der die MDK-Seite (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) vertritt, sprach sich für eine schärfere Trennung zwischen der Legalisierungs- und der Medizinalhanfdebatte aus. Er bemängelte zudem, dass der MDK nicht die Kompetenz habe, Anträge aus inhaltlichen und nicht nur aus formalen Gründen abzulehnen.
Der politische Trend scheint derzeit in die andere Richtung zu gehen. So sind im aktuellen GSAV-Entwurf, Ausnahmen beim Genehmigungsvorbehalt vorgesehen. Dies bedauere der MDK-Experte sehr. Außerdem bemängelte Meeßen, dass Cannabis nicht nur von spezifischen Facharztgruppen verordnet werden dürfe, sondern auch von „fachfremden“ Hausärzten.
Schmerzmediziner: „Es sind mitnichten die Junkies“
Für Schmerzmediziner Nadstawek stellt sich das Kompetenzgerangel bei den Cannabisverordnungen anders dar. Es gehe nicht an, dass fachfremde Personen beim MDK Therapieempfehlungen abgeben. So stehe in den Ablehnungsbescheiden häufig die Empfehlung, dass die Schmerzpatienten doch stattdessen Opioide einnehmen sollen – ohne die Betroffenen zu kennen. Und dass Opioide für die Patienten besser seien, könne der BVSD-Vorstand nicht bestätigen.
Außerdem bezweifele er, dass das Missbrauchspotenzial der Blütenarzneien so hoch sei, wie von den Vorrednern angenommen. „Es sind mitnichten die Junkies, die nach Cannabis fragen, sondern die schweren Fälle“, schilderte der Schmerzmediziner aus seiner Praxiserfahrung.
Wie sprechen wir über Medizinalhanf in fünf Jahren?
Der Begriff „Glaubenskrieg“ klingt vielleicht etwas drastisch. Doch trifft er den emotionalen Aspekt der Debatte im Kern. Denn sowohl für die Kritiker als auch für die Befürworter der Blütentherapie spielt Eminenz eine große Rolle. Dies liegt möglicherweise zum einen an der Evidenzlage und der fehlenden Arzneimittel-zulassung. Hinzu kommt, dass Cannabis die in Deutschland am häufigsten illegal konsumierte Droge ist, und bis vor Kurzem auch als Medizin nicht verkehrsfähig war, was subjektiv die Bedenken einiger Kritiker verstärken könnte.
Am Status von Cannabis als illegale Rauschdroge könnte sich auf internationaler Seite langfristig etwas ändern. So hat das WHO-Expertengremium, das für Drogen und Suchtstoffe zuständig ist (ECDD), empfohlen, das Gefahrenpotenzial von Cannabis herunterzustufen. Konkret soll Cannabis nach Auffassung des ECDD nicht mehr in die internationale Betäubungsmittelkategorie 4 gehören, die mit einem kompletten Verbot von Herstellung, Handel und Besitz verbunden ist. Cannabis würde demnach nur noch zur Kategorie 1 gehören, die eine strenge staatliche Kontrolle vorgibt. Ob diese nicht rechtsverbindlichen Empfehlungen umgesetzt werden, ist Sache der UN. Und diese Entscheidung könne sich noch bis 2020 hinziehen, erklärte eine Sprecherin des ECDD gegenüber DAZ.online.
Presseschau: Unterschiede in der Verordnung von Medizinalcannabis (Ärzteblatt)
Patienten in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben erhebliche Probleme, Ärzte zu finden, die ihnen Cannabis-Medikamente verschreiben. Der Aussage von Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, es dürfe solche Unterschiede im Vergleich zu anderen Ländern nicht geben, ist daher zuzustimmen, allerdings aus anderen Gründen, als die, die er anführt.
Unterschiede in der Verordnung von Medizinalcannabis
Seit 2017 steigt die Zahl der über die Apotheken abgegeben Cannabisrezepturen und damit der Umsatz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nicht immer passiere das im Sinne einer rationalen Pharmakotherapie, kritisierte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, kürzlich bei der Veranstaltung „Cannabis als Medizin – Gefahren des Missbrauchs?“ in Berlin.
Aktuelle Auswertungen der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) aus dem vergangenen Jahr zeigen deutliche regionale Unterschiede bei der Versorgung mit Cannabisblüten. Im Süden Deutschlands wurden demnach weit mehr Cannabisrezepturen über die Apotheken abgegeben als im Norden.
Den durchschnittlichen GKV-Umsatz von 80 EURo pro 1.000 GKV-Versicherten überschreiten die Bayern den Angaben zufolge um fast das Doppelte, dicht gefolgt von Baden-Württemberg. Den geringsten GKV-Umsatz verbuchen Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Westfalen-Lippe mit etwa 30 bis 40 EURo pro 1.000 GKV-Versicherten. „Gäbe es eine anerkannte Ratio in der Pharmakotherapie mit Cannabis dürfte es diese Unterschiede nicht geben“, ist Kiefer überzeugt.
Einen weiteren Hinweis dafür, dass der medizinische Bedarf nicht die Maßgabe für die Verordnung sei, sieht Kiefer in der Relation der eingelösten Rezepte zu unverarbeiteten und zubereiteten (gemahlen und gesiebt) Rezepturen in den Apotheken. Einheiten unverarbeiteter Cannabisrezepturen würden mehr pro Rezept abgegeben als zubereitete Rezepturen.
Für Kiefer gilt es somit als bewiesen, dass Cannabis nicht ausschließlich im Sinne einer rationalen Pharmakotherapie eingesetzt wird. Es liegt seiner Meinung nach aber nicht an der Qualität der Verordner oder der Apotheker.
Viel interessanter ist aber die Beobachtung, dass Schmerztherapeuten viel häufiger die Zubereitungen verordnen, während Allgemeinmeidziner viel häufiger unverarbeitete Cannabisblüten verordnen. Erik Bodendieck, Mitglied Kommission „Sucht- und Drogen“ bei der BÄK
Damit Ärzte mehr Erfahrungen mit dem Einsatz von Medizinalcannabis sammeln können, schlägt Erik Bodendieck, Mitglied Kommission „Sucht- und Drogen“ bei der Bundesärztekammer (BÄK) vor, die Verordnung auf bestimmte Facharztgruppen zu beschränken.
Diese Einschränkung würde auch die DAK Gesundheit als sinnvoll erachten, stimmte Detlev Parow, Leiter Abteilung Arznei-/Hilfsmittel und sonstige Leistungen, zu. Aus Sachsen kann Bodendieck berichten, dass in erster Linie Schmerztherapeuten Medizinalcannabis verordnen und an zweiter Stelle die Allgemeinmediziner. „Viel interessanter ist aber die Beobachtung, dass Schmerztherapeuten viel häufiger die Zubereitungen verordnen, während Allgemeinmediziner viel häufiger unverarbeitete Cannabisblüten verordnen“, erläuterte der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer.
Indikationsliste fehlt
Bodendieck und Parow vermissen zudem eine Indikationsliste für Medizinalcannabis. Entscheiden muss laut Sozialgesetzbuch 5 der Arzt im Einzelfall nach begründeter Einschätzung. „Das Gesetz verschiebt damit die Last in Gänze auf den Arzt“, kritisierte der Allgemeinmediziner Bodendieck aus Leipzig. Auch aufgrund der geringen Evidenz rufe die BÄK daher dazu auf, Cannabis nur im Einzelfall zu verordnen, wenn alles andere ausgeschöpft ist.
Es ist nicht Sache des MDKs restriktiv eine vom Gesetzgeber gewollte Therapie zu behindern. Wieland Schinnenburg, FDP
Im Zweifelsfall können die Krankenkassen die Anträge auch an den Medizinischen Dienst (MDK) zur Prüfung weitergeben. Die DAK Gesundheit würde dies in 99 Prozent der Anträge tun, berichtete Parow. Welche inhaltlichen Ablehnungsgründe neben formalen Fehlern gerechtfertigt seien, wäre aber unklar.
Deutliche Kritik an der Prüfung des MDK äußerte Joachim Nadstawek vom Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD): „Es verschlägt mir die Sprache, welche Anträge der MDK ablehnt. Es geht nicht, dass der MDK Therapieempfehlungen ausspricht“, so Nadstawek.
Auch Wieland Schinnenburg, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der FDP, betonte die Entscheidungsbefugnis des einzelnen Arztes. „Es ist nicht Sache des MDK restriktiv eine vom Gesetzgeber gewollte Therapie zu behindern.“
Daraufhin stellte Axel Meeßen Geschäftsführer vom MDK Berlin/Brandenburg noch mal die Prüflogik klar, die von vielen nicht verstanden würde. Nicht die Menge an Indikationen sei ausschlaggebend, ob ein Patient Cannabis bekommen sollte. Für jede einzelne Indikation müsse der Arzt zeigen, dass Therapiealternativen bereits ohne Erfolg erhoben wurden. Meeßen empfiehlt Ärzten daher, sich auf eine Indikation zu fokussieren.
Presseschau: Immer mehr deutsche Patienten bekommen Cannabis auf Rezept (Handelsblatt)
Die Zahl der Patienten, die Cannabis auf Rezept erhalten, steigt weiter an, befindet sich jedoch immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.
Immer mehr deutsche Patienten bekommen Cannabis auf Rezept
FrankfurtImmer mehr schwerkranke Menschen in Deutschland bekommen Cannabis auf Rezept. Laut einer Umfrage des Handelsblatts unter den drei großen Krankenkassen AOK, Techniker Krankenkasse und Barmer wurden im vergangenen Jahr mehr als 18.400 Anträge auf Kostenerstattung gestellt.
Rund zwei Drittel dieser Anträge, also knapp 12.500, wurden bewilligt. 2017 waren von den drei Kassen rund 8800 Anträge positiv beschieden worden. Allerdings war Cannabis für therapeutische Zwecke erst ab dem 10. März 2017 zugelassen und nicht schon von Jahresbeginn an. Die Versorgung lief langsam an. Gesetzlich Krankenversicherte können vor dem Start der Behandlung einen Antrag auf Kostenerstattung stellen, den dann der Medizinische Dienst der Kassen prüft.
Die drei großen Krankenkassen AOK, TK und Barmer stehen mit insgesamt rund 45 Millionen Mitgliedern für mehr als 50 Prozent des Marktes der gesetzlichen Krankenversicherung. Insgesamt haben die drei Kassen seit der Cannabis-Freigabe als Medizin rund 21.300 Anträge auf Kostenerstattung genehmigt. Die Genehmigungsquote liegt insgesamt bei rund zwei Dritteln, allerdings gehen die Zahlen bei den einzelnen Kassen auseinander.
Bei den insgesamt elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), bei denen im vergangenen Jahr 10.900 Anträge eingingen, lag die Genehmigungsquote bei durchschnittlich 63 Prozent. Die Techniker Krankenkasse hatte 2018 von den 2200 eingegangenen Anträgen rund 68 Prozent bewilligt, bei der Barmer lag die Quote mit 71 Prozent von insgesamt 5349 Anträgen noch etwas höher.
Cannabisimporteure erhöhen ihre Einfuhrmengen
Die Statistiken der Krankenkassen zeigen, dass bei der Mehrzahl der Fälle vor allem Patienten mit chronischen Schmerzen Cannabis auf Rezept bekommen. Die Fälle, bei denen eine Kostenübernahme abgelehnt wird, werden oft damit begründet, dass bei dem Patienten noch andere therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Wie viele Patienten in Deutschland Cannabis auf Rezept bekommen, ist unklar, da darüber keine bundesweite Statistik existiert. Rechnet man die Zahlen von AOK, TK und Barmer hoch, dürften es aber mittlerweile mehr als 40.000 Patienten sein. Nicht alle werden mit Cannabis-Blüten versorgt.
Nach den aktuellsten Zahlen des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entfallen rund 38 Prozent der Verordnungen auf unverarbeitete Cannabisblüten, 34 Prozent auf cannabishaltige Zubereitungen wie etwa Dronabinol und 29 Prozent auf Fertigarzneimittel wie das Mundspray Sativex oder das Medikament Canemes. Diese Kapseln verschreiben Ärzte gegen Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien. Sativex ist seit 2011 unter anderem zu Behandlung von Verkrampfungen bei Multipler Sklerose zugelassen.
Die wachsenden Patientenzahlen sorgen für einen steigenden Bedarf an Cannabisblüten in Deutschland. Deswegen erhöhen die Importeure auch ihre Einfuhrmengen. Seit März vergangenen Jahres haben insgesamt neun Importeure beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Erhöhung ihrer Importmengen auf eine Jahreshöchstmenge von nunmehr knapp 25.600 Kilogramm beantragt. Das beinhaltet die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage des Abgeordneten Niema Movassat von der Linkspartei, die dem Handelsblatt vorliegt.
Die Linken kritisieren die Menge des Jahresbedarfs an Cannabis
Vor der Freigabe von Cannabis als Medizin summierten sich die Importgenehmigungen zwischen 2008 und März 2017 auf insgesamt 4000 Kilogramm. Damals hatte nur wenige Patienten eine Sondererlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Cannabisblüten für therapeutische Zwecke aus der Apotheke zu beziehen.
Bei Cannabisblüten veranschlagt das BfArM eine Tagesmenge pro Patient von einem Gramm, der Jahresbedarf beläuft sich danach auf 365 Gramm pro Patient. Demnach bräuchten 10.000 Patienten also 3650 Kilogramm Blüten pro Jahr. Mit der Freigabe von Cannabis als Medizin hatte das BfArM 2017 auch ein Ausschreibungsverfahren für den Anbau von Cannabis in Deutschland gestartet. Nachdem die erste Ausschreibung nach Gerichtsbeschluss wegen Formfehlern aufgegeben werden musste, haben nun für die zweite Ausschreibung 79 Bieter beziehungsweise Bietergemeinschaften ein Angebot abgeben. Die Zuschläge sollen im zweiten Quartal dieses Jahres erfolgen. Die erste Ernte erwartet das Institut Ende 2020.
Niema Movassat, der Sprecher für Drogen- und Verfassungspolitik der Linkspartei, kritisiert die in der BfArM-Ausschreibung veranschlagte Menge von 10,4 Tonnen Cannabisblüten verteilt auf vier Jahre als „Tropfen auf dem heißen Stein“. „Wenn Deutschland den Import komplett durch eigenen Anbau ersetzen wollte, müssten 100 Tonnen ausgeschrieben werden“, findet Movassat.
Die Bundesregierung müsse die Ausschreibungskriterien praxistauglicher gestalten, so der Bundestagsabgeordnete weiter. Es brauche flexible Anbaumengen und Anbausorten. Dies würde sicherstellen, dass die Cannabissorten angebaut werden, die die Patienten benötigen. Das BfArM wiederum weist darauf hin, dass bei der Festlegung der Ausschreibungsmenge auch berücksichtigt werden musste, dass Hersteller, Händler und Apotheken medizinisches Cannabis künftig weiterhin auch bei Importeuren kaufen können.
Presseschau: Erste Ernte möglicherweise Ende 2020 (Stuttgarter Zeitung)
Jetzt ist 2020 als Zieljahr für den Anbau in Deutschland anvisiert. Vielleicht wird es auch 2021.
Erste Ernte möglicherweise Ende 2020
Seit Anfang 2017 ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das den Einsatz von Cannabis-Arzneien bei einer ärztlichen Therapie und bei Patienten mit schweren Krankheiten erlaubt. Nun steht die erste mögliche Ernte fest: Ende 2020 soll es soweit sein.
Ende 2020 soll in Deutschland erstmals Cannabis für medizinische Zwecke geerntet werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) will im zweiten Quartal des laufenden Jahres endgültig den Zuschlag für mögliche Produzenten von Medizin-Cannabis erteilen, wie die Behörde am Montag in Bonn mitteilte.
79 Bieter haben demnach Angebote abgegeben. Es geht um den Anbau von 10.400 Kilogramm Cannabis, verteilt auf vier Jahre. Der ursprünglich für 2019 geplante Start des Anbaus von Cannabis in Deutschland hatte sich verzögert, weil die Ausschreibung wegen eines Verfahrensfehlers wiederholt werden musste. Im April will das Oberlandesgericht Düsseldorf noch über die Klage eines Bieters entscheiden. Mit einer ersten Ernte rechnet das Bundesinstitut nun im vierten Quartal 2020.
Gesetz seit Anfang 2017 in Kraft
Seit Anfang 2017 ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das den Einsatz von Cannabis-Arzneien bei einer ärztlichen Therapie und bei Patienten mit schweren Krankheiten erlaubt. Die Anbaumenge ist demnach in 13 Lose zu je 200 Kilo Cannabis pro Jahr aufgeteilt, damit auch kleinere Unternehmen zum Zuge kommen und das Ausfallrisiko vermindert wird. Derzeit wird Cannabis aus dem Ausland nach Deutschland importiert, das ist auch weiter möglich.
Presseschau: Einsatz von Cannabis in der Medizin ernst nehmen, fordern die Abgeordneten (Europäisches Parlament)
Auch das EURopäische Parlament befasst sich mit der Thematik und wird in der kommenden Woche über das Thema Cannabis als Medizin debattieren. Es liegt ein Entschließungsantrag vor und diverse Änderungsanträge. EURopäische Mitglieder im Vorstand der IACM schicken den entsprechenden Abgeordneten eine E-Mail, um die Haltung renommierter Experten auf diesem Gebiet deutlich zu machen.
Einsatz von Cannabis in der Medizin ernst nehmen, fordern die Abgeordneten
Die Abgeordneten werden mit der EU-Kommission erörtern, wie Forschungslücken beim Einsatz von Cannabis in der Medizin geschlossen werden können, und am Mittwoch eine Entschließung annehmen.
Die Abgeordneten werden die Kommission dazu befragen, wie die EU die qualitativ hochwertige Erforschung von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis unterstützen und Normen für nichtpharmazeutisches medizinisches Cannabis festlegen könnte, um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten.
In dem Entschließungsantrag wird betont, dass die Kommission und die nationalen Behörden eine klare Unterscheidung zwischen medizinischem Cannabis und anderen Verwendungen treffen müssen. Kommission und Mitgliedstaaten werden aufgefordert, rechtliche Hindernisse, die die wissenschaftliche Forschung belasten, zu beseitigen. Die Forschung solle angemessen finanziert und die Kenntnisse über medizinisches Cannabis unter den Angehörigen der medizinischen Berufe verbessert werden.
Hintergrundinformationenß
Die Abgeordneten sind der Ansicht, dass es überzeugende Beweise dafür gibt, dass Cannabis und Cannabinoide eine therapeutische Wirkung bei der Behandlung von chronischen Schmerzen bei Erwachsenen und von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie haben sowie zur Linderung der spastischen Lähmung aufgrund von multipler Sklerose wirksam eingesetzt werden können.
Während die WHO im Dezember 2017 offiziell empfohlen hat, den Stoff Cannabidiol (CBD) – ein Bestandteil von Cannabis – nicht international als kontrollierten Stoff zu erfassen, sind die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Einsatz von Cannabis in der Medizin sehr unterschiedlich.
Presseschau: Neubewertung von Cannabis der WHO (taz)
Die WHO hat Cannabis neu bewertet und empfiehlt der UNO, die Einstufung von Cannabis in den internationalen Drogenkonventionen zu ändern.
Neubewertung von Cannabis der WHO
Das Expertenkomitee für Drogenabhängigkeit (Expert Committee on Drug Dependence – ECDD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tagte vom 12. bis 16. November 2018 in Genf. Auf dieser 41. Sitzung wurde vornehmlich über den Schaden, den der Konsum von Cannabis anrichten kann wie auch den Nutzen, den Cannabis als Medikament für die Patienten haben kann, diskutiert. Grundlage der Diskussion war der Bericht der 40. Sitzung des selben Expertenkomitees. Die 40. Sitzung fand vom 4. bis 7. Juni in Genf statt, wobei dort die Aspekte der verschiedenen Cannabinoide ausführlich diskutiert wurden.
Auf der 41. Sitzung des Expertenkomitees wurden Empfehlungen für eine Neubewertung von Cannabis ausgearbeitet, die in dem Anhang 1 zum protokolarischen Bericht der Sitzung zusammengefasst sind. Darin werden Umstufungen von Cannabis in verschiedenen Tabellen des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs) von 1961 empfohlen sowie die Entfernung von delta-9-Tetrahydrocanabinol (THC) aus der Konvention über psychotrope Substanzen von 1971.
Tabellen des Einheitsabkommens
Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel listet Drogen in vier kontinuierlich aktualisierten Tabellen auf, die die Verkehrsfähigkeit in unterschiedlichem Maß einschränken so wie etwa die Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz in Deutschland. Diese Beschränkungen nehmen von Tabelle I (starke Beschränkungen) bis Tabelle III (eher moderate Beschränkungen) ab. Tabelle IV (extrem starke Beschränkungen) bildet eine Teilmenge von Tabelle I und nimmt einen Sonderstatus ein. Die in ihr aufgeführten Substanzen und Zubereitungen sind generell nicht verkehrsfähig und somit auch als Arzneimittel nicht zulassungsfähig. Die Reihenfolge von extrem restriktiv bis am wenigsten restriktiv lautet: Tabelle IV, Tabelle I, Tabelle II, Tabelle III.
Empfehlungen des WHO-Expertenkomitees
Das Expertenkomitee kam zu dem Schluss, dass die Aufnahme von Cannabis und Cannabisharz in Anhang IV des Einheitsabkommens nicht im Einklang mit den Kriterien für Stoffe ist, die für eine Aufnahme Anhang IV vorgesehen sind. Daraus folgte die erste Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Cannabis und Cannabisharz aus der Tabelle IV des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.
Die wichtigste psychoaktive Substanz in der Cannabispflanze ist eine der vier Stereoisomere von delta-9-Tetrahydrocannabinol. Diese Substanz hat therapeutische Zwecke und ist auch unter dem Namen Dronabinol bekannt. Dronabinol befindet sich derzeit in Tabelle II des Übereinkommens über psychotrope Substanzen von 1971. Tabelle II beinhaltet Stoffe mit eingeschränktem therapeutischen Nutzen wie Amphetamin, Phencyclidin (PCP) und Dronabinol. Nach dem heutigen Wissenstand trifft die Definition „mit eingeschränktem therapeutischen Nutzen“ nicht mehr zu, da ein therapeutischer Nutzen erwiesen ist. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die zweite Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Anhang I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern. Das Expertenkomitee empfiehlt zudem die Streichung von Dronabinol und von seinen Stereoisomeren (delta-9-Tetrahydrocannabinol) aus Tabelle II des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe, vorbehaltlich der Annahme der Empfehlung Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Tabelle I des Einheitsabkommens von 1961 einzugliedern.
In Tabelle I des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe sind Substanzen aufgeführt, die angeblich überhaupt keinen medizinischen Nutzen haben wie beispielsweise LSD, Psilocybin und MDMA. Heute weiß man, dass diese Substanzen sehr wohl einen medizinischen Nutzen haben und deshalb ist auch hier eine Anpassung an den heutigen Wissensstand nötig. Wie dem auch sei, in dieser Tabelle I sind auch sechs Isomere von Dronabinol aufgelistet. Diese sechs Isomere ähneln chemisch dem delta-9-Tetrahydrocannabinol, das derzeit in Tabelle II des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe aufgeführt ist. Das Expertenkomitee hat jedoch empfohlen, delta-9-Tetrahydrocannabinol aus dieser Liste zu streichen und in Tabelle I des Einheitsabkommens von 1961 einzugliedern. Obwohl diese sechs Isomere dem delta-9-Tetrahydrocannabinol chemisch sehr ähnlich sind, gibt es nur sehr wenige Beweise bezüglich des Missbrauchspotenzials und der akuten berauschenden Wirkungen dieser Isomere. Es gibt keine Berichte, dass die in Anhang I der Konvention von 1971 aufgelisteten THC-Isomere eine physische Abhängigkeit hervorrufen. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die dritte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Tetrahydrocannabinol (bezogen auf die sechs in Tabelle I des Übereinkommens von 1971 aufgelisteten Isomere von THC) in Tabelle I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern, sofern die Empfehlung zur Eingliederung von Dronabinol in diese Tabelle I angenommen wurde.
Das Expertenkomitee hat erkannt, dass der Begriff „Extrakte und Tinkturen von Cannabis“ gemäß dem Übereinkommen über Betäubungsmittel von 1961 verschiedene Zubereitungen umfasst, die teilweise psychoaktiv wirken und teilweise dies nicht tun. Das Expertenkomitee hat erkannt, dass die Variabilität betreffend psychoaktive Eigenschaften dieser Zubereitungen hauptsächlich auf unterschiedlichen Konzentrationen von delta-9-Tetrahydrocannabinol beruhen. Cannabisextrakte und Tinkturen ohne psychoaktive Eigenschaften, darunter überwiegend Cannabidiol (CBD), das vielversprechende therapeutische Anwendungen hat, gehören deshalb nicht zum Kontext des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die vierte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Extrakte und Tinkturen von Cannabis aus der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.
Auf seiner 40. Sitzung prüfte das Expertenkomitee für Drogenabhängigkeit der WHO Berichte über die Wirkung von Cannabidiol und empfahl, das reines Cannabidiol nicht unter die Kontrollmaßnahmen der internationalen Abkommen zu stellen. Cannabidiol kommt in Cannabis und Cannabisharz vor, hat aber keine psychoaktive Eigenschaften und hat kein Missbrauchspotenzial und kein Abhängigkeitsvermögen. Es hat keine signifikanten negativen Auswirkungen. Cannabidiol hat sich bei der Behandlung von Krankheiten wie Epilepsie als wirksam erwiesen. Es wurde für diese Verwendung in den Vereinigten Staaten im Jahr 2018 als Medikament zugelassen und derzeit wird die Zulassung in der EURopäischen Union geprüft. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die fünfte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 eine Fußnote mit dem folgenden Text hinzuzufügen: „Zubereitungen mit überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent delta-9-Tetrahydrocannabinol fallen nicht unter die internationale Kontrolle.“
Derzeit zugelassene Arzneimittel mit delta-9-Tetrahydrocannabinol als einzigem Wirkstoff werden (halb)synthetisch hergestellt wie zum Beispiel Marinol und Syndros. In der Zukunft ist es auch möglich, Zubereitungen mit gleichwertigen Eigenschaften aus Cannabis herzustellen, die die gleichen Mengen von delta-9-Tetrahydrocanabinol beinhalten. Die therapeutischen Wirkungen unterscheiden sich nicht. Es sind keine nachteilige Auswirkungen von aus der Cannabispflanze gewonnenes delta-9-Tetrahydrocanabinol im Vergleich zu (halb)synthetisch hergestelltem delta-9-Tetrahydrocanabinol bekannt.
Um den Zugang zu diesen Arzneimitteln nicht zu behindern und unter Bezugnahme auf Artikel 3.4 des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 erfolgte die sechste Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt, dass Zubereitungen mit delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol), die entweder durch chemische Synthese oder als Zubereitungen von Cannabis, die als pharmazeutische Produkte mit einem oder mehreren anderen Inhaltsstoffen zusammengesetzt sind, und von solcher Beschaffenheit sind, dass delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol) nicht mit leicht verfügbaren Mitteln extrahiert oder in anderer Weise eine Ausbeute gewonnen werden kann, in Tabelle III (Tabelle mit den geringsten Restriktionen) des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 aufgenommen werden, da sie unter den gegebenen Bedingungen kein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen.
Resonanz bei Verbänden und Medien
Gibt man in eine Suchmaschine wie Google oder Bing die Suchbegriffe „WHO“ und „Cannabis“ ein, dann werden einem diverse Treffer zu Fachverbänden und Fachzeitschriften angezeigt. So schreibt der Deutsche Hanfverband (DHV) unter dem Titel Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis, dass die Weltgesundheitsorganisation den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine Neuklassifizierung von Cannabis empfehle, die den Umgang mit Cannabis grundlegend verändern und insbesondere die medizinische Nutzung erleichtern würde. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO habe zuvor die Risiken von Cannabis, THC und CBD untersucht und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Risiken die aktuelle Einstufung nicht rechtfertigen. Gleichzeitig sei ein medizinischer Nutzen von Cannabis anerkannt worden.
Leafly fasst die Ergebnisse unter dem Titel Cannabis-Neubewertung: Erste Ergebnisse liegen vor wie folgt zusammen: Cannabisblüten und Cannabisharz sollen nicht mehr als gefährliche Stoffe eingestuft werden, die keinen medizinischen Wert besitzen. Dronabinol und Tetrahydrocannabinol sollen nicht mehr als psychotrope Substanzen, sondern als Betäubungsmittel eingestuft werden. Cannabidiol (CBD) ist nicht gefährlich und kann therapeutisch wertvoll sein. CBD-Extrakte, die bis zu 0,2 Prozent THC enthalten, sollen dereguliert und am Markt frei erhältlich sein.
Das Hanf Journal schreibt unter dem Titel WHO empfiehlt Neubetrachtung von Cannabis, dass die WHO eine Herabstufung von Cannabispflanzen sowie den Harzen der Gewächse aus der Kategorie IV auf Stufe I, in welcher nur die weniger gefährlichen Substanzen aufgelistet sind, fordere. Klar ausgesprochen werde von der WHO auch, dass Cannabidiol – kurz CBD – sowie Produkte mit dem Wirkstoff nicht unter internationaler Kontrolle stünden, solange sie den THC-Wert von 0,2 Prozent nicht überschreiten würden, was etwas Klarheit über den argwöhnisch beäugten Handel mit rauschfreien Blüten und Nahrungsergänzungsmitteln schafft.
Treffer zu den bekannten Massenmedien wurden bei den Suchmaschinen keine angezeigt – einzige Ausnahme: wallstreet-online. Wallstreet berichtet unter dem Titel Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis, dass eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO zuvor die Risiken von Cannabis, THC und CBD untersucht habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass die Risiken die aktuelle Einstufung nicht rechtfertigen. Neben dem Artikel wird der Aktienkurs eines bekannten Unternehmens aus der Hanfbranche angezeigt. Der Kurs von Aurora Cannabis ist innerhalb der letzten vier Wochen von knapp 6,00 EURo auf 9,70 EURo gestiegen.
Ein Treffer zur Seite der Drogenbeauftragten Marlene Mortler wurde von den Suchmaschinen auch angezeigt. Dieser führte zu einer Pressemitteilung, die unter dem Titel Aktuelle WHO-Studie zum Thema Cannabiskonsum veröffentlicht wurde. Die Pressemitteilung ist jedoch nicht aktuell, sondern darin wird von einer internationalen Expertenkommission unter Vorsitz des schwedischen Gesundheits-und Sozialministers berichtet, die im April 2015 tagte, um die Forschungsergebnisse bezüglich der Auswirkungen auf den Menschen bei Cannabiskonsum – sowohl psychisch als auch gesamtgesundheitlich betrachtet – zusammen zu tragen. Bemerkenswert an dieser Pressemitteilung ist, dass sie kein Veröffentlichungsdatum enthält. Nur wer aufmerksam die Seite betrachtet, kann in der Navigationsleiste sehen, dass diese Pressemitteilung um 2. Quartal 2016 veröffentlicht wurde. In der Übersicht zu den Pressemitteilungen aus dem Jahr 2016 der Drogenbeauftragten kann man sehen, dass alle Pressemitteilungen ein Veröffentlichungsdatum haben, außer jener hier erwähnten, die zwischen dem 30. Mai 2016 und dem 7. Juni 2016 eingetragen ist. Wurde hier das Datum entfernt, um die Relevanz bei Suchmaschinen zu manipulieren?
Presseschau: "In drei Jahren wird Cannabis in Schweizer Apotheken verkauft" (Swissinfo, Schweiz)
Die Schweiz will mehr Bürgern einen Zugang zu einer Therapie mit Cannabis eröffnen.
"In drei Jahren wird Cannabis in Schweizer Apotheken verkauft"
Zehntausende von Patienten in der Schweiz verwenden Cannabis, um ihre Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Aber die meisten von ihnen tun es illegal. Laut Rudolf Brenneisen, einem der führenden Schweizer Experten für therapeutischen Hanf, ist dies eine untragbare Situation. Er hofft, dass die "verbotene Pflanze" in Apotheken verkauft wird.
Die Schweiz gilt als Pionierin im Bereich der Drogenpolitik. Vor 25 Jahren startete sie ein Projekt zur medizinischen Verschreibung von Heroinexterner Link, und ihr so genanntes Viersäulen-Prinzipexterner Link wurde von vielen anderen Ländern übernommen.
Ein progressiver Ansatz, der jedoch bei medizinischem Cannabis nicht übernommen wurde, sagt Rudolf Brenneisen, Vorsitzender der Schweizer Arbeitsgruppe für Cannabinoide in der Medizin (SACMexterner Link) und ehemaliger Berater des Labors der Vereinten Nationen für Betäubungsmittel.
swissinfo.ch: Was ist Cannabis für Sie: eine zu verbietende Droge oder ein zu legalisierendes Medikament?
Rudolf Brenneisen: Cannabis ist eine Pflanze mit grossem therapeutischem Potenzial. Man muss klar unterscheiden zwischen Cannabis als Freizeitdroge und Cannabis für medizinische Zwecke. Letzteres hätte meiner Meinung nach in der Schweiz schon seit Langem legalisiert werden sollen.
Bei welchen Beschwerden oder Krankheiten kann Cannabis helfen?
Hanf kann Spasmen reduzieren, die durch Multiple Sklerose verursacht werden. Oder auch Krämpfe und chronische Schmerzen wie Migräne. Manche Tests in Laboren suggerieren, dass Cannabis, und im Besonderen CBD [Cannabidiol, einer der Wirkstoffe der Pflanze, A.d.R.], zum Kampf gegen Krebszellen beiträgt. Cannabis kann auch Epilepsie-Anfälle reduzieren.
Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
Es handelt sich meist um harmlose Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, ein leichter Anstieg der Herzfrequenz oder ein leichtes Schwindelgefühl. Bisher wurden keine Schäden an den inneren Organen gemeldet. Zum Vergleich: Die Nebenwirkungen von Aspirin können ernster sein. Abhängig von der Dosierung und dem THC-Gehalt (der psychoaktiven Substanz von Cannabis) kann es natürlich zu einer psychotropen Wirkung kommen.
Cannabis scheint also ein Wundermittel zu sein…
Das sagen viele Patienten, aber so ist es nicht. Hanf ist kein Wundermittel und kein Ersatz für Morphium. Wir bekämpfen die Stigmatisierung von Cannabis, aber auch seine Verherrlichung.
Es ist richtig, über die positiven Wirkungen zu sprechen, aber ohne die schädlichen zu verschweigen. An einem kürzlich vom SACM organisierten internationalen Kongress in Bern zum Beispiel wurden die bei einigen starken Cannabis-Rauchern beobachteten heftigen Brechattacken diskutiert, ein Aspekt, der völlig unterschätzt worden war. Es sei auch darauf hingewiesen, dass intensiver Cannabiskonsum in der Pubertät die Gehirnentwicklung beeinträchtigen kann.
Der Joint ist jedoch nicht die beste Form, um Cannabis für therapeutische Zwecke zu konsumieren…
Seit Jahren fragen wir uns, wie wir den Wirkstoff am besten in den Körper bringen können. Ein Joint ist aus pharmakologischer Sicht sicherlich nicht das, was wir wollen, obwohl er eine sehr verbreitete Form von Selbstmedikation ist.
Auch die Einnahme von Tabletten ist nicht indiziert, da 80-90% des THC von der Leber zerstört wird. Deshalb müssen wir Alternativen finden. Zum Beispiel über die Mundschleimhaut, Nase oder Haut. Das Oralspray Sativex ist derzeit das einzige in der Schweiz zugelassene Medikament auf Cannabis-Basis. Im Ausland werden neue Produkte auf Basis der Nanotechnologie entwickelt, die im Unterschied zu Sativex alle in der Pflanze vorhandenen Substanzen enthalten. Die grösste Herausforderung ist jedoch eine andere.
Nämlich?
Ein Grossteil der verfügbaren Informationen über Hanf stammt aus Studien, die mit einer kleinen Anzahl von Menschen oder direkt an Patienten und Patientinnen durchgeführt wurden. Es fehlen gross angelegte klinische Studien mit 100 oder 200 Patienten und Patientinnen.
Wie ist es möglich, dass die Forschung noch nicht fortgeschritten ist, wenn man bedenkt, dass Cannabis eine seit Jahrtausenden bekannte und in der Gesellschaft sehr verbreitete Pflanze ist?
Klinische Studien sind sehr teuer. Für Sativex wurden 100 Millionen EURo investiert. Wegen der Stigmatisierung von Hanf fürchten grosse Pharmaunternehmen zudem um ihr Image, was ich für unsinnig halte.
Auch die Tatsache, dass die Cannabispflanze nicht patentierbar ist, spielt eine Rolle. Allerdings ist die Branche sehr präsent, und es gibt einen starken Wettbewerb, um hanfbasierte Medikamente auf den Markt zu bringen.
Vielleicht sollten wir uns von den Prinzipien der klassischen Medizin entfernen, nach denen alles bewiesen werden muss, und akzeptieren, was die Patienten erzählen. Bedeutungsvoll ist der Fall eines Kindes in den Vereinigten Staaten, das unter dem Dravet-Syndrom leidet und Hunderte von epileptischen Anfällen pro Tag hatte. Ein kanadischer Hanfpionier schlug den Eltern ein CBD-Präparat in Reinform vor. Das Kind wurde nicht geheilt, aber sein Zustand hat sich deutlich verbessert und heute kann es Sport treiben und zur Schule gehen. Das Medikament wurde in Rekordzeit zugelassen und wird in Kürze in der Schweiz erhältlich sein. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die auf der Erfahrung eines einzelnen Patienten basiert.
In der Schweiz gibt es Patienten mit chronischen Schmerzen oder einer schweren Krankheit, die sich mit Hanf behandeln. Welche Möglichkeiten haben sie?
Wer Glück hat, hat einen Hausarzt, der sich des Potenzials von Cannabis bewusst ist oder der zumindest nicht aus moralischen Gründen gegen Cannabis ist. Der Arzt muss eine Ausnahmegenehmigung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) einholen. Das Verfahren kann drei bis vier Wochen dauern.
Das Problem ist, dass nur eine kleine Anzahl von Patienten diesem Weg folgt, den viele für zu kompliziert halten. Die meisten Patienten und Patientinnen entscheiden sich daher für die Selbstmedikation, d.h. sie bauen zu Hause Hanf an oder beziehen es auf der Strasse, was illegal ist. Das ist untragbar.
Die Schweiz ist international anerkannt für ihre Vorreiterrolle in der Drogenpolitik. Man denke nur an die kontrollierte Abgabe von Heroin. Warum passiert nicht dasselbe beim therapeutischen Hanf?
In den 1990er-Jahren war das Problem der Drogenabhängigkeit ein Thema, das jeden interessierte. In der Umgebung des Bundeshauses in Bern [Sitz von Schweizer Regierung und Parlament] und im Zentrum von Zürich gab es eine offene Drogenszene. Der Druck von Politik und Bevölkerung war enorm: Es musste etwas getan werden.
Einen solchen Druck gibt es für Hanf nicht. In der Schweiz sieht man keine heruntergekommenen Raucher auf der Strasse herumtorkeln, und der Druck der Patienten ist noch zu schwach. Aber es ist nur eine Frage der Zeit. Die Bevölkerung und ein Grossteil der politischen Welt sind für therapeutischen Hanf.
Der Zürcher Apothekerverband möchte Hanf in Apotheken anbieten, auch für Genusszwecke. Ist das der richtige Weg?
Therapeutischer Hanf sollte in Apotheken angeboten und dort von kompetenten Personen abgegeben werden. Man sollte nicht ganze Blütenstände verkaufen, deren Zusammensetzung auch bei derselben Pflanze variieren kann, sondern ausgezeichnete homogenisierte Lösungen. Wie jedes Medikament muss auch Hanf von hoher Qualität sein. Es sollte überhaupt nicht in Kiosken oder Hanfgeschäften verkauft werden, wie es heute bei dem sogenannten "Cannabis light" der Fall ist.
Cannabis für den Freizeitkonsum hingegen sollte in Clubs abgegeben werden, in denen es Altersbeschränkungen, ein Mitgliedschaftssystem und eine Qualitätskontrolle gibt.
Was sagt das Gesetz?
Anbau, Konsum und Handel mit Cannabis, deren THC-Gehalt über 1% liegt, sind in der Schweiz verboten (in der EURopäischen Union liegt der Grenzwert bei 0,2%). Das neue Betäubungsmittelgesetzexterner Link, das seit 2011 in Kraft ist, sieht eine kontrollierte Verwendung von Hanf für medizinische Zwecke vor. Dafür braucht es eine Ausnahmebewilligung vom Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Dieses Verfahren "verzögert jedoch den Behandlungsstart und erschwert den Zugang", so die Schweizer Regierungexterner Link, die bedürftigen Patienten den Zugang zu Cannabis für medizinische Zwecke erleichtern will. Ein entsprechender Vorentwurf wird bis zum Sommer vorgelegt.
Mehrere Länder haben die medizinische Verwendung von Hanf legalisiert. Von welchem Modell könnte sich die Schweiz inspirieren lassen?
Ich glaube nicht, dass wir das amerikanische Modell tel quel übernehmen können, wo man ab 21 Jahren Hanf kaufen kann, unabhängig vom Verwendungszweck. Das deutsche System, das es Patienten erlaubt, Hanf rezeptpflichtig in einer Apotheke zu kaufen, scheint mir eine gute Idee zu sein. Ich bin sicher, dass dies in der Schweiz innerhalb von drei Jahren auch so sein wird.
Im Idealfall sollte Hanf in der Schweiz produziert werden, nicht zuletzt, um die Probleme des grenzüberschreitenden Transports zu vermeiden. Um die Forschung zu fördern und zu koordinieren, wäre es sinnvoll, ein Hanfinstitut zu schaffen, wie eines in den Niederlanden existiert.
Ein ehemaliger Kollege, mit dem ich bei der UNO zusammengearbeitet habe und der für die Drogenabteilung zuständig ist, sagte mir, dass die Schweiz wie beim Heroin weiterhin eine Vorreiterrolle spielen sollte. Ich frage mich, warum nicht?
Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
Wundermittel CBD? Cannabis wird für Händler zum grünen Gold (Berliner Morgenpost)
Israel erlaubt Export von Cannabis (zdp.de)
Cannabis auf Rezept – wenn das rettende Medikament in den Ruin treibt (Stern.de)
Wie Israel zur Supermacht des Cannabis aufsteigen will (Welt.de)
Hanfapotheke und Café (Süddeutsche Zeitung)
Ein Joint zum Vermehren? (Der Tagesspiegel)
Veranstaltungen 2020
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IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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