ACM-Mitteilungen vom 23. September 2017
- Liebe Leserin, lieber Leser,
- Umfrage zum Thema medizinische Verwendung von Cannabis im Straßenverkehr
- Schreiben der drogenpolitischen Sprecherin der CSU im Bundestag, Emmi Zeulner
- Schreiben einer engagierten Apothekerin
- Presseschau: Vorerst nicht lieferbar (FAZ)
- TV-Tipp: Cannabis auf Rezept (Arte)
- Presseschau: Ein Schlag ins Gesicht (Donaukurier)
- Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich war schockiert, als mir die Mutter eines neuen Patienten in der vorletzten Woche beim Besuch in meiner Praxis erklärte, dass sie die AFD wählen wolle. Sie wolle damit gegen die Politik der Bundesregierung protestieren.
Ich war schockiert, weil auch der Protest gegen die Politik der Bundesregierung zum Thema Cannabis als Medizin offenbar erstmals den Einzug von Rechtsradikalen in den Bundestag seit mehr als 50 Jahren fördert. Wer protestieren will, sollte nicht sein menschliches Großhirn ausschalten!
Sie hat mich gefragt, was sie denn sonst wählen solle. Alle anderen Parteien im Bundestag sind besser als diese mit den Ängsten der Bevölkerung spielenden Wölfe im Schafsfell. Die widerliche Verrohung der Sprache von AFD-Kandidaten für die Bundestagswahl, die gezielt provokativ genutzt und zunehmend bis ins bürgerliche Lager hinein akzeptiert wird, und die Erzeugung von Ressentiments und Hass gegen Sündenböcke benötigen eine klare Kante aller Bürger, die unser Land lieben und die EURopäischen Werte von Freiheit, Toleranz und Humanismus verteidigen.
Es gibt Parteien, die eine gute Politik zum Thema Cannabis als Medizin machen, und auf die wir auch im kommenden Bundestag setzen können.
Daher bitte ich alle Leserinnen und Leser, sich an der morgigen Bundestagswahl zu beteiligen. Setzen Sie ein Zeichen mit Ihrem Kreuz an einer vernünftigen Stelle! Zeigen Sie, dass Sie mehr Verstand als ein Gorilla mit Trillerpfeife besitzen!
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Umfrage zum Thema medizinische Verwendung von Cannabis im Straßenverkehr
Das Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin Heidelberg führt eine Umfrage zum Thema Cannabis im Straßenverkehr durch. Sie soll untersuchen, „ob und mit welcher Grunderkrankung Patienten mit ärztlich verordnetem Cannabis aktiv am Straßenverkehr teilnehmen. Auch Personen, die ohne ärztliches Rezept Cannabis konsumieren und aktiv am Straßenverkehr teilnehmen, sind dazu eingeladen, Ihre Erfahrungen zu teilen.“
Umfrage zum Thema medizinische Verwendung von Cannabis im Straßenverkehr
Schreiben der drogenpolitischen Sprecherin der CSU im Bundestag, Emmi Zeulner
Am 15. September antwortete Emmi Zeulner (Mitglied des Bundestages, CSU) auf ein Schreiben der Sprecher des Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin (SCM) Gabriele Gebhardt und Axel Junker, in dem diese auf ihre Erklärung zum Hungerstreik hinwiesen.
Schreiben von Frau Zeulner
„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Zu allererst kann ich Ihnen versichern, dass Sie und die Patienten mich hier an Ihrer Seite haben und ich mich für die Betroffenen weiter einsetzen werde. Denn von Anfang an sollte das Gesetz den Patienten dienen und nicht die Lage verschlechtern. Das bleibt das oberste Ziel bei den weiteren Bemühungen. Sie haben völlig Recht, es sollten Erleichterungen geschaffen werden und keine neuen Hürden aufgebaut werden.
Gerade die Patienten, die vor dem Inkrafttreten eine Ausnahmegenehmigung hatten, sollten die Ersten sein, die von dem Gesetz profitieren. Dass diese nun oft die Leidtragenden sind, kann nicht hingenommen werden. Deswegen habe ich mich auch gleich nachdem uns die ersten Fälle dazu bekannt geworden sind im Gesundheitsministerium dafür eingesetzt, dass gerade diesen Patienten die Kostenerstattung zu Gute kommt. Ich habe mich gleich zu Beginn für eine flexible und schnelle Lösung eingesetzt. Vorschläge meinerseits waren zum einen die Verlängerung der Ausnahmegenehmigung und zum anderen aber auch die Überlegung, den „Ausnahmegenehmigungspatienten" eine Bestandsgarantie zu gewähren, um die Situation nicht zu verschlimmern. Doch leider wurde das hier nicht von Ministeriumsseite aufgenommen und eine schnelle Lösung in den letzten Wochen der Wahlperiode konnte nicht mehr erreicht werden.
Auch in den anderen von Ihnen genannten Punkten ich mich bereits seit mehreren Monaten dafür ein, dass die Probleme aktiv und schnell angegangen werden.
Sie haben Recht, dass hier eine Aufklärung der Ärzte stattfinden muss, damit die „falsche Hemmschwelle" bei der Verschreibung von Cannabis fällt und die Angst vor Regressen abnimmt. Denn hieran scheitern derzeit bereits viele Patienten. Eine von Ihnen geforderte Aufklärung und Fortbildung ist sinnvoll und ich werde diese auch weiter unterstützen.
Auch bezüglich der Preisbildung in den Apotheken stehe ich bereits in Kontakt mit den Beteiligten, um eine Lösung zu finden, die sich in den gesetzlichen Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung bewegt und dennoch den Patienten nicht über die Maßen strapaziert. Eine Verschlechterung war hier nie gewollt. Hier gilt es hartnäckig zu bleiben. Ich werde es sein. Denn gerade viele betroffene Schmerzpatienten können eine größere finanzielle Last nicht stemmen, wenn die Kassen die Kostenübernahme ablehnt.
Auch der von Ihnen angesprochene Umstand, dass die Kassen den vorgesehenen „Ausnahmetatbestand" umdrehen und die Kostenerstattung die Ausnahme und nicht die Regel ist, finde ich nicht tragbar. Ich habe hier in vielen Gesprächen und Schreiben auch bereits gegenüber den Kassen deutlich gemacht, dass, wenn hier keine Änderung des Vorgehens spürbar ist, der Genehmigungsvorbehalt wieder aus dem Gesetz gestrichen werden wird. Denn den Willen des Gesetzgebers dürfen die Krankenkassen nicht derart missachten. Dafür setze ich mich weiter ein.
Sie haben völlig recht: Ziel muss eine Erleichterung und keine Erschwernis sein!
Dafür stehe ich weiter ein und bleibe weiterhin in stetigem Kontakt zu dem Bundesgesundheitsministerium, den Krankenkassen, den Patienten, den Apothekern, den Ärzten und anderen Beteiligten, um Lösungen zu schaffen, die direkt bei den Patienten ankommen. Leider dauert dies sehr lang. Das ist nicht befriedigend und gerade im persönlichen Kontakt mit betroffenen Patienten, macht es mich manchmal „hilflos". Doch genau das motiviert mich auch, weiter für die Patienten zu kämpfen, denn ich glaube daran, dass das Gesetz ein gutes Gesetz ist und den Patienten helfen kann. Doch wir müssen bereit sein, an den Schwachstellen zu arbeiten. Und dazu bin ich bereit.
Auch wenn wir wissen, dass die Probleme unabhängig von Wahlperioden bestehen, so möchte ich Ihnen aber auch keine falschen Hoffnungen machen. Im Moment sieht es so aus, dass, aufgrund des Umstandes, dass die Wahlperiode zu Ende geht und derzeit keine Sitzungen mehr im Bundestag stattfinden, wir erst in der neuen Wahlperiode eine Möglichkeit bekommen werden, hier neu anzusetzen und die so nötigen Verbesserungen vorzunehmen. Ich hoffe, dass wir gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode das Gesetz nochmal angehen können und werde mich dafür einsetzen.
Gerne hätte ich Ihnen geantwortet, dass wir alles ganz zeitnah lösen können, aber ich möchte ganz ehrlich sein und dazu gehört es, keine Versprechen zu geben, die ich nicht genauso einhalten kann. Denn das Versprechen, die Probleme schnell zu lösen, kann ich so nicht geben. Aber ich kann versprechen, dass ich mich weiter einsetzen werde und ich im Sinne der Patienten auf politischer Ebene dafür kämpfen werde, dass das Gesetz angepasst wird. Zum Wohle der Patienten.
Beste Grüße
Emmi Zeulner“
Mitglied des Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Schreiben einer engagierten Apothekerin
Wir dokumentieren eine E-Mail einer engagierten Apothekerin, die sich kritisch mit den aktuellen Entwicklungen auseinandersetzt, darunter mit den Preisen und den vorgeschriebenen Identitätsprüfungen von Cannabisblüten. Der Text liefert gute Hintergrundinformationen, auch zu der erheblichen Gewinnspanne der Importeure von Cannabisblüten.
„Guten Abend Lieber Doktor Grotenhermen,
meine erste sehr ausführliche E Mail an Sie, wurde leider von meinem Programm ins Nirvana geschickt. Daher folgt nun der 2te Versuch.
Als wir 2014 mit unserem ersten Erlaubnisinhaber anfingen, uns in die Materie einzuarbeiten, da gab es keine Monographie, keine Identitätsprüfungen und nur einen überschaubaren Aufwand, wie die zeitnahen Meldungen an die Bundesopiumstelle mittels Abgabebeleg.
Irgendwann informierte unser Importeur uns über die Prüfpflicht auf Identität. Wir druckten also die Analysenzertifikate aus und hatten keine Anweisung, wie denn nun eine Identitätsprüfung durchzuführen sei. Es gab keine Monographie. Wir baten also unseren Erlaubnisinhaber, nach dem Kauf, eine Dose zu öffnen und notierten "charakteristischer Geruch auf Cannabisblüten" auf dem Zertifikat.
Nachdem nun im letzten Jahr, die Monographie, die ich Ihnen als PDF an die Mail mit angehängt habe, herauskam, entschieden wir uns, nach sorgfältiger Abwägung der Prüfmethoden für die mikroskopische Variante. Diese erfordert nur eine minimale Prüfmenge von etwa 5 mg und ist mit überschauberen Zeitaufwand und überschaubaren Preis für die Chloralhydratlösung relativ gut durchzuführen.
In jeder Apotheke muss jede einzelne Substanz, die als Stoff deklariert ist, und durch uns verkauft wird, auf Identität geprüft werden. Ob das nun Kamillenblüten sind, oder Hydrocortisonacetat, was zur Herstellung einer Salbe in der Apothekenrezeptur benötigt wird. Es muss eine Prüfung aus dem jeweiligen Arzneibuch auf Identität durchgeführt werden.
Ich kann mir diese Prüfung bzw Prüfungen nur bedingt aussuchen, teilweise werden die Prüfungen auch durch das Arzneibuch vorgeschrieben. Diese Prüfungen können chemisch oder physikalisch oder mit hohem apparativen Aufwand durchgeführt werden. In jeder Arzneibuchmonographie findet sich ein Abschnitt zu Prüfungen auf Identität, Prüfungen auf Reinheit und Prüfungen auf Gehalt.
Wir müssen also immer die Prüfung auf Identität durchführen. Dieses Prozedere stammt aus einer Zeit (vermutlich nach dem Krieg), wo in der Apotheke sehr viel mehr Eigenherstellung als heutzutage durchgeführt wurde.
Heute wird sogar täglich mindestens ein Fertigarzneimittel in jeder Apotheke überprüft. (In diesem Fall aber nur äusserlich, ob die Blister gut aussehen, ob die Chargenbezeichnungen übereinstimmen, richtige Packungbeilage usw)
Es hat sich mit der Zeit eine Industrie um die Apotheke herum entwickelt, welche Ihr Geld damit verdient, dem Apotheker das Prüfen auf Identität zu erleichtern. Das führt dazu, dass ich für die Apotheke ein Nahinfrarot-Spektrometer für ca 11 000 EURo kaufen kann. (Apo Ident)
Nun ist es so, dass wir mittlerweile einige Patienten haben und ich schon gehört habe, dass die Apothekenaufsicht in meinem Fall mit der Zeit auf der kostenintensiven Prüfung mittels Dünnschichtchromatographie bestehen wird. Diese dauert mindestens 1,5 Stunden und ist mit einem erhöhten Chemikalienverbrauch mit kostenintensiver Entsorgung und Referenzsubstanzen im Dreistelligen EURobereich verbunden.
Nachdem nun in der Cannabisarbeitshilfe von Klaus Häußermann geschrieben wurde, das JEDE einzelne Dose auf Identität geprüft wird, können Sie sich sicherlich vorstellen, dass dieses Prozedere im normalen Apothekenbetrieb so nicht durchführbar ist. Vor allem, ist das nicht für einen Abgabepreis von 69,99 EURo durchzuführen.
Zusätzlich ist mit dem Gesetz durch die Überführung von Cannabisblüten von Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes in die Anlage III eine Änderung im Status erfolgt. Diese Statusänderung war notwendig, um Medizinacannabis verschreibungsfähig und verordnungsfähig und auch verschreibungspflichtig zu machen. Diese Statusänderung ist dafür verantwortlich, das seit dem 10. März zwingend die Preisberechnung nach Arzneimittelpreisverordnung vorzunehmen ist.
Sie wissen ja, das Cannabisblüten heutzutage als Rezepturarzneimittel abgegeben werden. Für ein Rezepturarzneimittel gelten seit einer Änderung der Apothekenbetriebsordnung seit 2012 größere Anforderungen. Ich muss nun also zwingend ein Herstellungsprotokoll schreiben, für jede einzelne Rezeptur für jeden einzelnen Patienten.
In diesem Fall müssen die Dosen mit dem Arzneimittel patientenindividuell etikettiert werden, und zusätzlich muss im Fall von Medizinalcannabisblüten als Betäubungsmittel eine kindergesichterte Verpackung verwendet werden. Das stellt mich zum Beispiel bei den Bedrocan Varietäten vor ein logistisches Problem. Ich möchte aus hygienischen Gründen und um das Produkt nicht qualitativ zu verschlechtern, keine Umfüllung vornehmen. Aus diesem Grund bevorzuge ich auch die unzerkleinerte Abgabe. Ich biete also unseren Patienten kostenlos eine solche kindergesichterte Verpackung als Mitgabe an. Diese muss durch uns als Apotheke auch gekauft werden.
Warum schreibe ich das alles?
Im Interesse der Patienten muss der Abgabepreis so gering wie möglich ausfallen, da Selbstzahler sich sonst die benötigte Menge nicht leisten können.
Das konnten sich die Erlaubnisinhaber schon nicht leisten. Ich hatte einen Erlaubnisinhaber, der sich in 5 Monaten nur 2 Dosen geleistet hat, seit seiner Kostenübernahme durch die Krankenkasse sind es 80 Gramm im Monat.
Wenn sich meine Befürchtung mit meiner vorgestrigen Erkenntnis nun zukünftig bewahrheiten sollte, dann läuft es so, dass die Gesetzlichen Krankenkassen ihre Forderung nach einem geringeren Abgabepreis für sich ausnutzen und die Apothekerschaft, also den DAV bei einer Verhandlung auf einem Vertragspreis, der sich im Rahmen der bisherigen Preise bewegen wird, festlegt.
Die bisherigen Preise beinhalteten aber nicht diese aufwändigen Identitätsprüfungen.
Zudem ändert sich bei der Verhandlung eines Vertragspreises nicht der Status der Medizinalcannabisblüten von einem Rezepturarzneimittel in einen anderen Zulassungsstatus, wo man zum Beispiel auf die Identitätsprüfungen verzichten würde, weil man sagt, dass eine Prüfung auf Identität nicht notwendig ist, bei einem standartisierten Herstellungsprozeß nach GMP (Good manufacturing Practice) und einer ISO 9001:2008 Zertifizierung. Bedrocan und auch die kanadischen Hersteller haben ein sehr hohes Qualitätslevel.
Damit wäre die Apothekerschaft immer noch gezwungen, geöffnete Dosen an die Patienten herauszugeben. Auch wären die Selbstzahler ohne eine Änderung des Zulassungsstatus immer noch diejenigen die unter einer Preisbildung nach Arzneimittelpreisverordnung leiden.
Neben der Tatsache, dass wir niedrigere Preise auch oder gerade für die Selbstzahler brauchen, können wir diesem Ziel, neben den anderen Problemen nicht ausschließlich mit Vertragspreisen beikommen.
Ganz wichtig für die Preisbildung ist die gesamte Kette der Preisbildung. Vom Hersteller über den Importeur über die Apotheke als Abgabestelle an den Patienten und schlussendlich der Staat mit einer Mehrwertsteuer von 19 %.
Diese wird immer gerne vergessen.
Wenn Cannamedical berichtet, dass er als Importeur für 34,50 EURo pro 5 Gramm Dose Bedrocan Varietät in Holland einkaufen, so ist das der Nettopreis. Dann schlägt der Importeur 15,45 EURo pro Dose auf, und ich kaufe diese für 49,95 EURo netto ein. Würde ich nun auch 15,45 EURo netto aufschlagen, so haben wir schon 65,40 netto. Und dann käme die 19 % Mehrwertsteuer drauf, sodass der Abgabepreis schon bei 77,83 EURo liegen würde.
Ich kann daher heute nicht mehr meinen alten Preis von 69,99 EURo halten.
Ich schrieb weiter oben von einer Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012, welche der Apothekerschaft einen erheblichen Mehraufwand in der Rezeptur, der Arzneiherstellung brachte. Dieses führte in der Praxis schlagartig dazu, dass sehr viele Kollegen unter dubiosen Ausreden (Kontrahierungszwang!) plötzlich keine Rezeptur mehr machten, weil es nur noch ein defizitäres Verlustgeschäft war. Diese Situation wurde durch eine Anpassung der Vergütung für die Herstellung von Rezepturen vor ca. 2 Monaten etwas verbessert. Nun stellen wir also keine Medikamente mehr für deutlich unter Mindestlohn her, sondern bekommen eine Vergütung, die immerhin eine kleine Verbesserung darstellt.
Ich sehe das Problem, dass die Bereitschaft der Apothekerschaft Medizinalcannabis abzugeben, bei einem Preis der an der Defizit-Grenze liegt, sich deutlich verringert.
Das macht den Aufwand, den die Patienten heute schon betreiben noch schlimmer. Mein Entfernungsrekordhalter wohnt 350 km von unserer Apotheke weg.
Zudem tragen wir auch noch das Risko der Nullretaxationen. Das ist vergleichbar mit Regressforderungen bei den Ärzten. Ich habe nun gerade gestern die erste Nullretaxation für 5 Rezepte im März und April in Höhe von 3300 EURo auf dem Tisch.
Ich werde Stunden brauchen, um unsere Vergütung zu retten.
Neben der Tatsache, dass die Krankenkasse die Offenlegung des Einkaufspreises fordert, muss ich nun auch noch begründen, warum die Abgabe von Medizinalcannabis nicht nach dem Verfahren nach AMG § 73 Abs. 3 erfolgte. Importarzneimittel erfordern bei jedem Rezept vor der Belieferung, dass eine einzelne Kostenübernahmezusage der Krankenkasse eingeholt wird. Natürlich haben wir vorher bei allen Patienten mit zulasten der GKV eingereichten Rezepte die Kostenübernahmezusagen gesehen.
Ausserdem erfolgt die Abgabe von Medizinalcannabis nicht nach dem AMG § 73 Abs. 3-Verfahren. Dieses gilt nur für Fertigarzneimittel. Marinol wäre so ein Fall.
Wie viele Apotheker kennen Sie, die sich in das Thema Cannabis wirklich tief eingearbeitet haben?
Ich kenne den Schriftverkehr zwischen Ihnen und Dr. Andreas Kiefer. Haben Sie das Gefühl, das Herr Kiefer die Probleme der Patienten verstanden hat?
Sie kennen auch die NRF-Rezepturen. Was halten Sie persönlich von diesen? Der Zerkleinerung und dem ganzen anderen Aufwand?
Falls Sie weitere Fragen haben, so freue ich mich immer, wenn Ich Ihnen behilflich sein kann.
Mit freundlichen Grüßen“
Presseschau: Vorerst nicht lieferbar (FAZ)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete über Probleme im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz, darunter den Lieferproblemen bei den Cannabisblüten. Gegenwärtig ist nichts oder wenig erhältlich.
Ein neues Gesetz hat im Frühjahr die Abgabe von medizinischem Cannabis an Kranke erleichtert. Nun aber leiden viele Patienten unter Lieferengpässen.
Seit neun Jahren ist Alfred Pohl Schmerzpatient. Seit zweieinhalb Jahren wird er mit Cannabis therapiert. „Und seit zweieinhalb Jahren geht es mir besser“, sagt der 44 Jahre alte Familienvater, der eigentlich anders heißt. Um genau zu sein: Bis vor kurzem ging es ihm besser. Denn den Apotheken gehen die Cannabisblüten aus, seit im März das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft getreten ist, das es Ärzten erlaubt, Medikamente auf Cannabisbasis, Blüten der Pflanze und Extrakte ohne Ausnahmegenehmigung zu verschreiben.
Die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabispflanze werden in Deutschland noch nicht produziert, bis mindestens 2019 ist man auf deren Import angewiesen. Die 14 zugelassenen Cannabissorten kommen aus den Niederlanden und aus Kanada. In zwei Jahren soll zum ersten Mal in Deutschland angebautes Cannabis geerntet werden, für dessen Kontrolle eine Cannabisagentur eingerichtet wurde. Maik Pommer, Pressesprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm), sagt dazu: „Das Ziel ist es, die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen.“
Bis dieses Ziel in greifbare Nähe rückt, vergibt die Bundesopiumstelle des Bfarm die Importgenehmigungen für medizinisches Cannabis an Arzneimittelhändler. Innerhalb einer Woche würden die Anfragen von Importeuren bearbeitet, sagt Pommer. Wieso dann aber die Lieferengpässe in den deutschen Apotheken? Pommer sieht den Grund bei den Händlern: „Derzeit sind Genehmigungen im zweistelligen Bereich noch nicht genutzt worden.“ Das Bundesinstitut habe keine weiteren Einflussmöglichkeiten auf die Importeure oder Exporteure. Grundsätzlich könne aber Cannabis nicht nur aus den Niederlanden und Kanada, sondern aus jedem Land importiert werden, das den Anbau von medizinischem Cannabis unter staatlicher Kontrolle durchführe.
Vom staatlichen Amt für Medizinisches Cannabis in den Niederlanden (OMC) heißt es, dass sich die Nachfrage nach medizinischem Cannabis in den vergangenen Monaten mehr als verdreifacht habe. Obwohl sie viele Blüten auf Lager gehabt hätten, habe man nicht die komplette Nachfrage bedienen können. „Auch in den kommenden Monaten können wir das nicht tun“, heißt es von der Behörde. „Deswegen werden die Exporte begrenzt.“ Doch der Engpass soll bald behoben sein: Schon Ende vergangenen Jahres habe das OMC den Anbau von mehr medizinischem Cannabis in Auftrag gegeben, von Herbst an seien größere Mengen verfügbar.
Das kanadische Gesundheitsministerium hingegen teilt mit, dass bisher die komplette Nachfrage Deutschlands gedeckt werden konnte. „Die Substanz ist da“, sagt Pierre Debs, Geschäftsführer der Spektrum Cannabis GmbH, die Cannabisblüten aus Kanada importiert und ihren Sitz in St. Leon-Rot bei Heidelberg hat. Laut Debs ist der Lieferengpass in Deutschland – zumindest was Kanada angeht – ein bürokratisches Problem. Das neue Cannabisgesetz lasse Interpretationsspielräume für verschiedene Klassifizierungen von Cannabisblüten: Ausgangsstoff oder Arzneimittel? Im Deutschen Arzneibuch wird die Cannabisblüte als Ausgangsstoff bezeichnet, einige Ordnungsbehörden zählten sie aber zu den Arzneimitteln, sagt Debs. So passiere es, dass die kanadischen Lieferungen bei ihnen in Baden-Württemberg hängen blieben und nicht bis zu den Patienten kämen. „Das muss harmonisiert werden.“
Bis zur Verabschiedung des Gesetzes im März konnten nur Patienten mit Ausnahmegenehmigungen medizinisches Cannabis in der Apotheke bekommen. Alfred Pohl war einer von ihnen. Er leidet an Spastiken, Krämpfen und Schmerzen. Jahrelang probierte er verschiedene Schmerzmittel, nichts half, von Opiaten wurde Pohl süchtig und musste in den Entzug. Linderung verschaffen konnte Pohl schließlich Cannabidiol (CBD). Das ist mit dem Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC, auch Dronabinol genannt) hauptsächlich für die Wirkung von Cannabis verantwortlich. Je nach Cannabissorte sind verschiedene Mengen Cannabinoide enthalten. Normalerweise nimmt Pohl die Cannabissorte Bedrolite, sie enthält kaum THC, hat aber einen höheren CBD-Gehalt. Er verbackt das medizinische Cannabis in einem Kuchen. Rauchen kann er es nicht, da er auch an einer Lungenkrankheit leidet. Wegen der Lieferschwierigkeiten aber bekommt Pohl Bedrolite schon seit Anfang Juli nicht mehr in der Apotheke; er muss auf Sorten mit anderer Zusammensetzung und weniger CBD ausweichen. Für ihn bedeutet das größere Schmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen.
Seit der Gesetzesänderung im März ist die Nachfrage nach medizinischem Cannabis stark gestiegen. Die Verordnungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen – die eine Behandlung mit Cannabis bezahlen, wenn keine andere Therapiemöglichkeit vorhanden ist – sind nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) von 564 Einheiten im März auf fast 5000 Einheiten im Juni gestiegen. Insgesamt gaben die Apotheker im ersten Halbjahr demnach rund 10 600 cannabishaltige Zubereitungen und Cannabisblüten an Patienten aus. Die ABDA bestätigt, dass es dadurch zu Lieferengpässen komme. Das bedeute aber nicht automatisch eine medizinische Mangelversorgung: „Aus pharmakologischer Sicht gibt es keinen Bedarf für Cannabisblüten in der Hand des Patienten und Bedarf für die inhalative Anwendung.“ Patienten sollten Medikamente auf Cannabis-Basis nehmen. Diese Arzneimittel, sagt ein Sprecher der ABDA, seien in guter Qualität, sofort verfügbar und verordnungsfähig.
„Man kann die Blüten nicht ersetzen“, sagt dagegen Franjo Grotenhermen, Arzt und Geschäftsführer der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente. „Die Patienten haben versucht, sich umzustellen“, sagt er. Aber das scheitere schon an den Kosten: Zwei Gramm Blüten entsprechen laut Grotenhermen etwa 250 Milligramm Dronabinol-Tropfen, die kosten etwa 230 EURo. Patienten, die schon länger mit Cannabis therapiert würden und eine größere Menge an Blüten brauchten, könnten diese nicht einfach durch andere Cannabis-Arzneimittel ersetzen. Eine Patientin etwa brauche anstelle von Blüten 9000 Milligramm Dronabinol – eine Menge, die ihre Apothekerin kaum habe glauben können, und Kosten, die ihre Krankenkasse nicht mehr übernommen hätte. „Diese Patienten sind auf Blüten angewiesen.“ Neue Cannabispatienten seien kein Problem, sie brauchen laut Grotenhermen im Monat etwa fünf bis zehn Gramm Blüten. Für den aktuellen Engpass hat auch er keine Lösung. Aber er fordert eine Änderung im Betäubungsmittelgesetz: Straffreiheit für Patienten, deren Arzt ihnen eine nötige Cannabisverwendung bescheinigt – auch wenn sie aus Verzweiflung illegal Cannabis kaufen.
Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, fordert in dieser „Notsituation“, dass Patienten der Eigenanbau von Cannabis erlaubt wird. „Eine legale Möglichkeit, zu der man den Patienten raten könnte, gibt es im Moment nicht.“ Und er habe schon „massenhaft“ von Kranken gehört, die nicht an Cannabisblüten kämen. „Die Patienten sind verzweifelt.“ Medizinisch gesehen, sei es mit dem synthetischen THC nicht einfach getan, da jede Cannabissorte ein eigenes Wirkprofil habe. Wurth sieht auch keine Besserung für die Zeit von 2019 an, wenn Cannabis in Deutsch4land geerntet werden soll – die Mengenberechnungen der Cannabisagentur seien mit erwarteten 5500 Patienten schon jetzt viel zu niedrig angesetzt. Vor Inkrafttreten des Gesetzes hatten etwa 1000 Patienten eine Ausnahmeerlaubnis für medizinisches Cannabis.
Alfred Pohl wurde versprochen, dass er die Cannabissorte Bedrolite im November wieder in seiner Apotheke bekommen werde. Die Blüten der Sorte aber, die er im Moment als Ersatz nimmt, reichen nur noch drei bis vier Wochen. Wie es dann weitergehen soll, weiß Pohl noch nicht. Mit Cannabis-Arzneimitteln, wie sie etwa die Bundesvereinigung der Apothekerverbände empfiehlt, hat er keine guten Erfahrungen gemacht. „Zur Not muss ich ins Ausland, zum Beispiel nach Spanien oder Griechenland, und mir dort Cannabis holen.“
TV-Tipp: Cannabis auf Rezept (Arte)
Am 30. September befasst sich Arte mit den Unterschieden bei der medizinschen Verwendung von Cannabis-Medikamenten zwischen Deutschland und Frankreich.
Samstag, 30. September, 22.00 Uhr
Seit März 2017 ist Cannabis nach langer Debatte auch in Deutschland unter bestimmten Bedingungen als Arzneimittel zugelassen. Dabei ist es seit Jahrtausenden als Heilmittel bekannt.
Cannabis als Arzneimittel – für viele klingt das nach einer Ausrede für einen legalen Rausch. Zu negativ ist Cannabis im öffentlichen Diskurs besetzt. Es gilt als Einstiegsdroge, die Jugendliche psychisch abhängig und antriebslos macht. Doch diese Assoziationen erweckt die Pflanze erst seit dem 20. Jahrhundert, maßgeblich seit den Hippies, die schon in den 1960er Jahren die Legalisierung der Droge forderten und den eigenen Konsum gern öffentlich machten. Was die wenigsten wissen: Schon Jahrtausende vor Woodstock war Cannabis bekannt, allerdings nicht als Droge, sondern als kraftvolles pflanzliches Heilmittel.
Die erste bekannte Erwähnung von Cannabis als Heilmittel erfolgte im Jahre 2737 vor Christus durch den chinesischen Kaiser Shen Nung. Er empfahl das Harz von Cannabis als Heilmittel bei einer ganzen Reihe von Beschwerden und Krankheiten, etwa Verstopfung, Malaria und „Frauenkrankheiten“. Im alten Ägypten fand Hanf ebenfalls Verwendung als Heilmittel, allerdings für einen sehr speziellen Einsatzbereich: den Zehennagel. Das ist im Papyrus Ebers überliefert, einem der ältesten bekannten medizinischen Texte.
19. Jahrhundert: Wiederentdecker William Brooke O’Shaughnessy
Dann wurde es eine ganze Weile zumindest in medizinischen Aufzeichnungen still um Cannabis. Hildegard von Bingen soll es im 12. Jahrhundert in ihren Schriften erwähnt haben, jedoch ist darüber nichts Genaueres bekannt. Erst der irische Arzt William Brooke O’Shaughnessy brachte es im 19. Jahrhundert zurück auf die medizinische Agenda.
Er war als Arzt in Kalkutta stationiert und stellte dort fest, dass Cannabis eine krampflösende, schmerzstillende und entspannende Wirkung haben kann. Seine Folgerung daraus war, dass Cannabis bei Tetanus und Cholera – zu der Zeit in Indien extrem verbreitete Krankheiten – eingesetzt werden könnte. Im 19. Jahrhundert kamen auch die ersten Fertigarzneimittel mit Cannabis auf den Markt, etwa das US-amerikanische Schlafmittel Bromidia.
Große Erfolge in der Cannabisforschung
Bald jedoch galten Cannabispräparate als unmodern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts boomte die Arzneimittelforschung und wirksamere, chemische Wirkstoffe wurden gefunden. Auch wurde Cannabis zunehmend als Rauschmittel bekannt und daraufhin vielerorts verboten. Das gesamte 20. Jahrhundert hindurch gab es immer wieder Studien, die Cannabis positive Eigenschaften als Heilmittel zubilligen. Gleichzeitig wurde oft von politischer Seite gegen diese Studien gekämpft und auf die Gefahren von Cannabis als Rauschmittel hingewiesen.
Dennoch wurden insbesondere in den 1960er bis 1980er Jahren große Erfolge in der Cannabisforschung erzielt: 1964 gelang es dem israelischen Pharmazeuten Raphael Mechoulam, den psychotropen Wirkstoff THC aus Cannabis zu extrahieren. 1992 war es wieder Mechoulam, der die Rezeptoren fand, an die Cannabis im Hirn andockt und die Teil des sogenannten Endocannabinoid-Systems im Gehirn sind. Seine Forschung trug maßgeblich dazu bei, dass Cannabis heute unter vielen Medizinern als effektives Heilmittel angesehen wird.
Cannabis wird heute vor allem in der Schmerztherapie eingesetzt, es hilft aber nachweislich auch gegen Übelkeit und Erbrechen sowie gegen spastische Lähmungen und Krämpfe. Es gibt auch Studien, die Cannabis eine Wirksamkeit gegen die Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADHS oder gegen die Posttraumatische Belastungsstörung bescheinigen. Diese Studien sind jedoch meist noch nicht durch klinische Tests bestätigt.
Cannabis auf Rezept
Beim Umgang mit Cannabis vollzieht sich derzeit ein erstaunlicher Wandel: In immer mehr Ländern wird die Substanz für medizinische Zwecke zugelassen. Die Liste der Krankheiten, die Cannabis angeblich heilen kann, ist lang: multiple Sklerose, Epilepsie, chronische Schmerzen und sogar Hirntumore. Cannabis wird zum Allheilmittel erklärt, doch wie ist der Stand der Forschung tatsächlich? Der Film beleuchtet die vielversprechenden Möglichkeiten von Cannabis, zwischen Fantasterei und wissenschaftlicher Gewissheit.
Presseschau: Ein Schlag ins Gesicht (Donaukurier)
Der Donaukurier berichtete über die schwierige Situation eines Patienten nach der Ablehnung der Kostenübernahme für die Therapie mit Cannabisblüten durch seine Krankenkasse.
MDK hat den Antrag auf Kostenübernahme von Cannabisblüten für chronisch kranken Spangenberg abgelehnt
Um die Zeit, bis der entsprechende Gesetzesentwurf in Kraft trat, zu überbrücken, hat die Stadt sogar ein Spendenkonto bei der Sparkasse Ingolstadt für ihn und andere THC-Schmerzpatienten eingerichtet. Seit März ist Cannabis nun für medizinische Zwecke freigegeben. Doch der Antrag für Spangenberg, um Medizinalhanf auf Kassenrezept zu bekommen, hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen, der MDK Bayern, abgelehnt. Nach den vorliegenden Unterlagen seien die geforderten Voraussetzungen zur Kostenübernahme von Cannabisblüten nicht erfüllt, heißt es zur Begründung.
Für Spangenberg (32), der unter anderem an Epilepsie, Reizdarm und extremer Appetitlosigkeit leidet, ein Schlag ins Gesicht. Sein Arzt, der Allgemeinmediziner Anton Böhm, will gegen die gutachterliche Stellungnahme des MDK Widerspruch einlegen. „Wenn einer 40 Kilo wiegt, weil er ständig brechen muss, bei einer Körpergröße von 1,77 Metern, dann ist das für mich allein schon eine schwerwiegende Erkrankung“, so Böhm. Der stark untergewichtige Spangenberg hatte mit Cannabis zehn Kilogramm zugenommen, wie Böhm, den der Patient für die DK-Recherchen von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat, sagte.
Zu den Voraussetzungen, die der Gesetzgeber für die Kostenübernahme erlassen hat, gehören, dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handeln muss und dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach begründeter Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann, wie es im Amtsdeutsch heißt.
Seit Mitte Juli sind laut MDK-Pressesprecherin Ruth Wermes knapp 1200 Anträge auf Kostenübernahme beim MDK Bayern bearbeitet worden, 60 Prozent davon wurden befürwortet – insbesondere bei chronischen Schmerzpatienten. Doch im Fall Spangenberg fehlt insbesondere der Nachweis, dass es für ihn keine Therapiealternative gibt, wie aus dem Gutachten hervorgeht, das unserer Redaktion vorliegt.
Das Problem bei MDK-Gutachten sei, dass die Entscheidungen rein nach Aktenlage erfolgen, betont Carsten Helbig, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Ingolstadt Eichstätt. „Der Gutachter sieht den Patienten nicht.“ Außerdem sei einiges in dem Gesetzesentwurf „schwammig formuliert“. Helbig wäre dafür, Cannabis generell freizugeben. „Und es im Prinzip wie Zigaretten und Alkohol ins Belieben des Menschen zu stellen.“ Die jetzige Situation sei äußerst bürokratisch und „sehr, sehr unbefriedigend“ – für Ärzte und Patienten.
Tatsächlich lehnen es viele Ärzte ab, Cannabis aufzuschreiben. Auch der Neurologe Michel Dauphin. „Die Verordnung ist für Ärzte gefährlich, weil sie sich haftbar machen“, sagte er dem DK. Außerdem gebe es für die Wirkung keinen wissenschaftlichen Beleg.
Seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes am 10. März ist der Bedarf an Medizinalhanf sprunghaft angestiegen. Es gebe immer wieder Lieferengpässe, sagt Apothekensprecher Christian Pacher. Bei einer Veranstaltung im Klinikum informierte am Mittwoch die Neurologin, Prof. Kirsten Müller-Vahl von der Medizinischen Hochschule Hannover, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Cannabis in der Medizin, Ingolstädter Ärzte über die Wirkung von Cannabis bei vielen Krankheiten, wie etwa dem Tourette-Syndrom. Und sagte: Cannabis habe so wenige Nebenwirkungen wie kein anderes Medikament.
Der städtische Gesundheitsreferent Rupert Ebner, auf dessen Initiative das Spendenkonto für Spangenberg 2015 eingerichtet worden war, hofft, dass der Widerspruch gegen die MDK-Entscheidung greift und „die Kostenübernahme nicht an formalen Dingen scheitert“. „Nach der Aktenlage sind uns die Hände gebunden“, so Ulrich Resch, Chef der AOK Ingolstadt. An der Kasse liegt es nicht: „Wenn die medizinischen Voraussetzungen gegeben sind, sind wir natürlich dabei.“
Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
Trotz Gesetz bekommen viele Schmerzpatienten kein Cannabis auf Rezept (Report Mainz vom 19.09.2017)
Hohe Nachfrage nach Cannabis: Apotheken in Thüringen haben Lieferengpässe (Thüringer Allgemeine)
Cannabinoide in der Schmerz- und Palliativmedizin (Ärzteblatt)
Cannabis: Blüten rauchen ist keine Lösung (Pharmazeutische Zeitung)
Cannabis als Medizin – alles Marketing oder echtes Heilmittel? (Niederlausitz Aktuell)
Wenn Junkies nicht mehr von Patienten zu unterscheiden sind (Saarbrücker Zeitung)
Cannabisanbau in der EU: Tilray erhält Lizenz für 25.000-Quadratmeter-Plantage und investiert 20 Millionen EURo (Highway Magazin)
Cannabis für Schwerkranke (Ärzteblatt Sachsen)
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IACM-Konferenz 2022
Die 12. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin wird am 20. und 21. Oktober 2022 zusammen mit der Schweizerischen SSCM in Basel/Schweiz stattfinden.
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